Beatrix Schmiedel

Beatrix Schmiedel

Leitbildarchitektur & Intelligentes Marketing
Inhaberin


Ein Leitbild vereinfacht vieles und gibt uns die Chance, klarer zu sehen. Beatrix Schmiedel

Wenn Sie als Unternehmen ein Unternehmensleitbild erstellen, so schaffen Sie damit einen schriftlichen Rahmen für ihr tägliches Handeln. Ein Unternehmensleitbild vermittelt gleichermaßen Transparenz und Verbindlichkeit. Und dies gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern. Dabei geht es immer um die Kommunikation dessen, wofür Ihr Unternehmen steht, welche immateriellen Ziele Sie verfolgen, und wie Sie diese Ziele erreichen wollen. Warum ein Unternehmensleitbild auch und gerade in Krisenzeiten von großer Bedeutung ist, berichtet die Leitbildarchitektin Beatrix Schmiedel in diesem Interview. Und auch: Wie ein „gelebtes“ Leitbild Ihr Unternehmen gleich mehrfach stärkt.

Frau Schmiedel, Sie arbeiten seit 2001 im Bereich Strategisches Marketing. Wie kam es zur Spezialisierung auf die Themen „Werte und Leitbilder in Unternehmen“?

Beatrix Schmiedel:

Immer wieder stellt sich in der strategischen Marketingberatung die Frage, wie man es schaffen kann, das Unternehmen nach außen zu präsentieren. Das geht natürlich zuerst einmal über die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen.
Viele Kunden suchen heute aber noch nach etwas anderem, nämlich dem, was man auch als die „Seele des Unternehmens“ bezeichnen kann. Wenn die zu mir als Käufer passt, habe ich ein noch besseres Gefühl. Ich finde es zudem wichtig, Werte klar zu vertreten und eine Haltung zu haben.
Wenn ich als Mensch weiß, was mich antreibt und wer ich bin, dann werden viele Entscheidungen einfacher. Und das gilt gleichermaßen für Unternehmen. Das Thema hat mich von Anfang an begleitet und ist immer wieder spannend.

Es gibt Unternehmen, die sich, wenn überhaupt, nur am Rande mit dem eigenen Leitbild beschäftigen. Welche Chancen bleiben da ungenutzt?

Beatrix Schmiedel:

Zuerst einmal will ich sagen: Ein Leitbild ist nicht notwendig, um ein funktionierendes Unternehmen zu betreiben. Aber es wird überlebensnotwendig, wenn ich mich mit dem Unternehmen in einer Krise befinde oder wenn Veränderungen anstehen, die die Menschen im Unternehmen betreffen.

Und nahezu jede unternehmerische Entscheidung betrifft auch die Mitarbeiter. Ein Leitbild vereinfacht vieles und gibt uns die Chance, klarer zu sehen. Die Mitarbeiter zu finden, die wirklich zum Unternehmen passen. Mit Kunden im Sinne des Unternehmens zu kommunizieren und Entscheidungen zu treffen, die wir sonst tagelang im Management ergebnislos totdiskutieren.

Es gibt Unternehmensleitbilder die, aus Ihrer Sicht, Diskrepanzen aufweisen und eher negative Auswirkungen haben. Können Sie dies anhand eines Beispiels verdeutlichen?

Beatrix Schmiedel:

Es sind vor allem die Leitbilder, die Selbstverständlichkeiten beschreiben, welche am Ende zu nichts nutze sind. Nehmen wir z. B. den Satz: „Unsere Mitarbeiter bilden sich regelmäßig fort.“, so gelesen im Leitbild eines Hotels. Ist das nicht etwas, das ich als Kunde erwarte?

Außerdem trifft dieser Satz keine Aussage darüber, wer die Verantwortung dafür trägt – die Mitarbeiter allein oder ist dem Unternehmen die regelmäßige Fortbildung so wichtig, dass es für die Weiterbildung der Mitarbeiter aufkommt? Das ist nur eine kleine Formulierungsdifferenz, die in der Realität einen riesigen Unterschied macht.

Oder die Masse der schön formulierten Leitbilder, die ein Unternehmen in den rosigsten Farben beschreiben. Liest man dann die Bewertungen der Arbeitnehmer auf Plattformen wie z. B. kununu, wird schnell klar: Hier ist das Leitbild für Marketing und Imagebildung geschrieben worden, aber es wird nicht gelebt. So entsteht überhaupt erst die oft skeptische Meinung gegenüber Leitbildern.

Lohnt sich die Erstellung eines Leitbildes nur für große Firmen?

Beatrix Schmiedel:

Praktisch jedes Unternehmen, vom Kindergarten bis hin zum Stahlwerk kann von einem Leitbild profitieren. Es stellt sich nicht die Fragen nach dem „Wer“, sondern nach dem „Wie viel“.

Immer noch sitzen Unternehmen rund um die Welt dem Irrglauben auf, ein Leitbild könne ruhig eine ganze Broschüre füllen. Stattdessen geht es darum, sich klar zu werden, was die Seele und die Identität des Unternehmens ist und wie sie für den Unternehmenserfolg genutzt werden soll.

Das kann ich als Freiberufler ebenso tun wie als Unternehmen mit 16.000 Mitarbeitern. Hier ist lediglich der Aufwand größer, um eine Übereinkunft zu erzielen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt um sich mit dem Thema zu beschäftigen? Und: Welche Funktion haben definierte Werte und Regeln besonders in Krisenzeiten?

Beatrix Schmiedel:

Es ist nie zu spät! Aber es gibt auch nicht den einen, richtigen Zeitpunkt, an dem es jetzt nur noch ein Leitbild retten kann. Genaugenommen ist fast immer der richtige Zeitpunkt, sich mit dem eigenen Leitbild zu befassen, denn ein Leitbild wächst, gedeiht und verändert sich auf organische Weise.

Die Arbeit an einem Leitbild hingegen vor sich her und auf Krisenzeiten zu schieben, wäre gänzlich falsch, denn dann haben Sie keine Kraft für den Prozess der Implementierung. Sie brauchen Ihre Werte und funktionierende Regeln in Krisenzeiten ganz besonders, weil sie Ihnen dann Orientierung geben und gewissermaßen Entscheidungen vereinfachen.

Generell empfehle ich, dass unmittelbar vor und in der Krise ein ungünstiger Zeitpunkt für die Leitbildentwicklung, direkt nach einer Krise und in „guten Zeiten“ hingegen ein geeigneter Zeitpunkt dafür ist.

Ein Unternehmensleitbild ist Teil der Unternehmenskultur, dient der Imagebildung und nimmt daher auch direkten Einfluss auf die Geschäftsentwicklung?

Beatrix Schmiedel:

Nach innen, ins Unternehmen hinein, ist ein Leitbild ein maßgeblicher Teil der Unternehmenskultur. Das, was davon nach außen gezeigt wird – durch das Verhalten der Mitarbeiter, durch das Agieren des Unternehmens am Markt und in der Gesellschaft – dient der Imagebildung.

Hier geht es Unternehmen wie Menschen: Wenn ich nicht weiß, wer ich bin und meine Werte nicht kenne, fahre ich einen Zickzackkurs und bin unberechenbar in meinen Entscheidungen und Handlungen. Im Unternehmensalltag bedeutet das Willkürentscheidungen, ständige Führungs- und Strategiewechsel, unzufriedene Mitarbeiter.

Insofern können wir schon sagen, dass ein funktionierendes Unternehmen mit einer soliden, gelebten Wertebasis erfolgreicher ist als ein Unternehmen, welches nicht über solche Mechanismen verfügt.

Hier bildet sich der Erfolg nicht nur in den reinen Umsatzzahlen ab, sondern z. B. auch in stabilen und wachsenden Mitarbeiterzahlen, die Loyalität zum Unternehmen bedeuten oder in einer langfristigen, strategischen Ausrichtung mit einer klaren Führungsspitze, die als Richtungsgeber fungiert.

Sind Nachhaltigkeit und Realisierbarkeit bei der Leitbilderstellung wichtig und welche Faktoren spielen noch eine Rolle?

Beatrix Schmiedel:

Auch wenn Nachhaltigkeit ein viel strapaziertes Wort ist, so bildet es doch eines ab: Den Willen, etwas zu entwerfen – in unserem Fall ein Leitbild – das lange erhalten bleibt und funktioniert. Deshalb tun sich viele Unternehmen schwer damit, die passenden Formulierungen zu finden.

Sie glauben, dass Verhalten und Haltung einfacher zu ändern sind, als Produktionsketten oder Lieferverträge. Und das ist ein Irrglaube! Erst eine klare Haltung ermöglicht uns den sicheren Rahmen, in dem wir uns täglich bewegen möchten. Und eine klare, positive Haltung zum Leitbild ist auch das, was es braucht, um ein Leitbild um Unternehmen zu implementieren und zu leben.

Realisierbarkeit ist ein zweiter Punkt. Ich frage gern danach, woran Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten im Alltag erkennen werden, dass das Leitbild gelebt wird. Hier geht es darum, Werte in sichtbare Ergebnisse zu wandeln und auch Grenzen zu definieren. Ein Leitbild sollte dem Einzelnen so viele Freiheiten wie möglich lassen und doch klare Grenzen setzen.

Und ich bitte immer um ein paar Gedanken hierzu: Das Christentum funktioniert mit 10 Geboten. Wozu braucht ein Unternehmen 15 weitere Leitsätze? Und empfehle, auf neu formulierte Selbstverständlichkeiten bitte zu verzichten.

Wenn Sie ein Leitbildprojekt für ein Unternehmen angehen, wie ist dann ihre strategische Vorgehensweise?

Beatrix Schmiedel:

Ich frage nach den Erwartungen: Was soll sich durch das Leitbild verändern und verbessern? Woran werden Sie das merken? Die Auftraggeber sind je nach Unternehmen die Vorstands- und Geschäftsführerebene, mal auch die Marketingabteilung.

Zweiteres hat sich in den vergangenen vier Jahren glücklicherweise verringert. Früher gab es oft den Auftrag, etwas für die Imagebroschüre zu formulieren, was schön klingen sollte, aber im Unternehmen selbst kaum Relevanz hatte. Dieses falsche Leitbildbewusstsein ist heute passé.

Ich empfehle in der Leitbildentwicklung immer eine positions- und hierarchieübergreifende Form mit Workshops, in denen sich die unterschiedlichsten Mitarbeiter treffen, um ein Stimmungsbild aus dem Inneren des Unternehmens zu schaffen. Hier kochen die Meinungen oft das erste Mal hoch und die Führungsebene erfährt Dinge, die sie sonst kaum mitbekommt.

Konflikte, Glaubwürdigkeit und Umgang miteinander sind da wichtige Themen. Wir arbeiten uns so Schritt für Schritt an Formulierungen heran, die alle mit tragen können.

Für den weiteren Verlauf empfehle ich jährliche Reviews des Leitbildes, in denen betrachtet wird, ob das Leitbild angepasst werden muss, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen und wohin es sich entwickelt hat.

Sie haben ein neues Unternehmensleitbild erstellt. Wie erreichen Sie dessen erfolgreiche Umsetzung in der täglichen Praxis und wie sollte es kommuniziert werden?

Beatrix Schmiedel:

Zum einen sollte das Leitbild nicht „plötzlich erscheinen“, sondern im Unternehmen bekannt sein, dass es diesen Prozess gibt und jeder zur Mitarbeit eingeladen ist. Natürlich haben auch eine entsprechende Informationsunterlage oder eine Mitarbeiterveranstaltung ihre Daseinsberechtigung.

Wichtig ist aber etwas anderes: Den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, Fragen zu stellen und ihren Weg mit dem Leitbild zu finden. Offen über mögliche Probleme damit zu sprechen. Und diejenigen, die in den Workshops bereits dabei waren, als Botschafter zu installieren. So hat jeder einen Ansprechpartner auf Augenhöhe.

Die erfolgreiche Umsetzung an jedem Tag stellt auch schnell die Frage danach, welche Konsequenzen es hat, trägt ein Mitarbeiter das Leitbild nicht mit. Häufig kritisieren Mitarbeiter, dass ihre Führungskraft sich gar nicht nach dem Leitbild verhält und schließen dann daraus, dass das Leitbild Quatsch ist.

Manchmal ist dann die einzige Konsequenz, festzustellen dass ein Mitarbeiter oder eine Führungskraft eben nicht mehr zum Unternehmen passt. Das ist traurig, ja. Aber ein Leitbild gibt nun mal auch Grenzen vor und nicht jeder wird jedem Leitbild gerecht.

Das ist der Schnittpunkt von Mensch und Unternehmen, der realistisch und mit Respekt betrachtet werden soll und der automatisch auf den Tisch kommt, wenn wir über ein Leitbild sprechen.

Wie lautet Ihre Empfehlung an all die Unternehmen, die sich erstmalig mit dem eigenen Leitbild beschäftigen?

Beatrix Schmiedel:

Aus den vielen Empfehlungen, die es für einen Leitbildprozess geben kann, habe ich drei für Sie ausgesucht, die meines Erachtens den Grundstein bilden:

Gehen Sie es in Ruhe und systematisch an. Leitbilder, die mit wildem Aktionismus entstehen, bleiben auch wilder Aktionismus. Nehmen Sie sich Zeit, sich darüber klar zu werden, was ein Leitbild für Ihr Unternehmen leisten soll.

Lassen Sie sich von den Meinungen, dem Wissen und den Erfahrungen Ihrer Mitarbeiter inspirieren und nicht von den Leitbildern der Mitbewerber. So haben Sie die Chance, ein echtes Leitbild zu erschaffen und keine Kopie dessen, was es am Markt schon tausendfach gibt.

Lassen Sie sich von Anfang an extern begleiten, denn es wird zu Diskussionen und Gesprächen kommen, die moderiert und kanalisiert werden müssen, um die gewünschten Ergebnisse zu bringen. So verhindern Sie zudem das „Schmoren im eigenen Saft“, welches oft idealisierte Leitbilder hervorbringt. Holen Sie sich den wertvollen Blick von außen.

Vielen Dank für das Interview Frau Schmiedel!