Dr. Annika Lamer

Dr. Annika Lamer

Text und Konzeption
Inhaberin


Trauen Sie sich, dem Text Ihre eigene Stimme zu geben, und Sie werden es gut machen.Dr. Annika Lamer

Joachim Rumohr, Deutschlands XING-Papst, wird in seinen Seminaren nicht müde, immer wieder auf die Bedeutung des eigenen Profils hinzuweisen. Nicht minder wichtig: Die „Über-mich“-Seite auf der eigenen Webseite. Tatsächlich ist diese aber, wenn überhaupt vorhanden, oft das Stiefkind sehr vieler Webseitenbetreiber. Ein Fehler der aber leicht zu korrigieren ist, wie Dr. Annika Lamer meint. Die ehemalige Marketingleiterin und heutige Texterin, hat gute Argumente, weshalb man der eigenen „Über-mich“-Seite auch und ganz besonders viel Aufmerksamkeit schenken sollte. Die Graue Eminenz vieler Webseiten und ihr unterschätztes Potential. Mehr dazu in diesem Interview.

Frau Dr. Lamer, wenn wir an dieser Stelle über die „Über-mich-Seite“ sprechen, dann bitte ich Sie natürlich, sich doch kurz vorzustellen.

Dr. Annika Lamer:

Ich bin Texterin, ich schreibe und konzipiere Image- und Werbetexte für Unternehmen. Außerdem habe ich einen Ratgeberblog zum Thema Werbetexten. Die zentralen Themen: Wie können sich Unternehmer authentisch im Web darstellen? Wie schreibt man Texte, die sich leicht und locker lesen? Wie spricht man den Kunden emotional an, und was hat man überhaupt davon?

Wenn mein Blog dazu beiträgt, dass Unternehmen sich vom typischen Marketingsprech emanzipieren und mehr Persönlichkeit wagen, dann bin ich glücklich.

Wie viel hat eine „About Page“ auch mit Selbstvermarktung zu tun? Besser keine, als ein schlechte Seite?

Dr. Annika Lamer:

Ich ermutige die Leute immer, als Person hervorzutreten. Gerade bei Einzelunternehmern halte ich das für sehr wichtig. Dafür ist die Über-mich-Seite natürlich die ideale Plattform.

Aber auch größere Unternehmen sollten nicht anonym auftreten, sondern sich von ihrer menschlichen Seite zeigen. Wer steht dahinter? Das fängt an mit der Gründerpersönlichkeit und endet bei den Mitarbeitern.

„Besser keine Über-uns-Seite als eine schlechte“, nein, das würde ich so nicht unterschreiben. Wenn Sie merken, Sie kriegen keinen guten Text zustande, sollten Sie sich Hilfe von außen holen. Die Seite deshalb wegzulassen, wäre eine Vogel-Strauß-Taktik.

Welche Probleme sind oft der Grund dafür, dass eine „Über-mich“-Seite vollkommen fehlt.

Dr. Annika Lamer:

Viele Kunden kommen zu mir und sagen: Ich weiß gar nicht, was ich da schreiben soll. Beim Aufsetzen der Website wird die Über-uns-Seite oft schon angelegt, aber entweder frei gelassen oder mit einem „Bald-hier-in-Kürze“-Text versehen. Und so bleibt das dann. Viele Unternehmer drücken sich regelrecht um diese Seite.

Und die Gründe? Die liegen wohl tatsächlich in dem Satz: „Ich weiß gar nicht, was ich da schreiben soll.“ Schreibe ich über mich? Über mein Unternehmen? Aber was? Gar nicht so leicht!

Oft sehe ich Über-uns-Seiten, die nur noch einmal wiederholen, was das Unternehmen macht und bietet. Klar, es gibt Websites, da finden diese Infos nur auf der Über-uns-Seite Platz. Das ist sehr häufig bei Shops der Fall. In anderen Fällen stehen sämtliche Infos aber bereits an anderer Stelle, etwa auf der Startseite. Sie werden dann auf der Über-uns-Seite nur noch einmal wiedergekäut.

Genauso problematisch sind die üblichen Worthülsen zur Firmenphilosophie: Service, Know-how, Engagement. Das sagt nichts aus und ist für den Leser in der Regel nur eins: langweilig.

Skeptisch bin ich auch, wenn die Über-uns-Seite als reine Verkaufsplattform benutzt wird. Ein Werbetext fürs Unternehmen, versehen zahlreichen Call-to-Actions („Hier anmelden“ etc.). Klar, Über-uns-Seiten werden häufig angeklickt, da ist die Idee durchaus verständlich, über sie auch zu verkaufen.

Nur, meiner Meinung nach geht das an der Erwartungshaltung des Lesers vorbei, wenn er die Seite anklickt. Kaufaufforderungen und Eigenwerbung sollten daher nur subtil platziert werden. Für sie ist an anderer Stelle schon genügend Raum. Nein, über die Über-uns-Seite verkauft man etwas anderes: Vertrauen. Dazu komme ich gleich noch.

Stichwort: Überraschend hohe Zugriffszahlen auf „Über …“-Seiten. Können Sie dazu etwas sagen?

Dr. Annika Lamer:

Tatsächlich gehört die Über-uns-Seite fast immer zu den meistgeklickten Seiten einer Website. Bei meiner eigenen Website ist das auch so.

Warum also klicken die Menschen so oft auf diese Seite? Weil sie noch mehr Werbung lesen wollen? Noch einmal gesagt bekommen wollen, wie toll das Unternehmen ist? Nein. Sie gehen auf die Über-uns-Seite, weil sie wissen wollen, wer hinter einem Angebot steckt. Weil sie an Infos kommen wollen, die sie auf dem Rest der Website nicht finden. Infos, die für die Kaufentscheidung nichtsdestotrotz entscheidend sein können.

Geht es um mehr als darum nur einen guten Eindruck zu machen? Welche Ziele kann man mit dieser gut und überlegt aufgesetzten Seite erreichen?

Dr. Annika Lamer:

Jetzt kommen wir endlich zu meinem Lieblingsstichwort: Vertrauen. Eine Über-uns-Seite ist dazu da, Vertrauen aufzubauen. In der Anonymität des Netzes kann man viel behaupten; schwarze Schafe haben es leicht. Als Nutzer möchte ich mich ein Stück weit absichern und sehen: Wer ist das, bei dem ich da kaufen soll? Kann ich ihm vertrauen?

Früher sind wir in einen Laden gegangen und haben uns vom Verkäufer beraten lassen. Heute kaufen wir viel im Internet, der persönliche Kontakt fehlt. Es ist wichtig, der Anonymität des Netzes etwas entgegenzusetzen: Menschlichkeit, Persönlichkeit.

Die Vorteile für den Unternehmer liegen auf der Hand: Kaufentscheidungen fallen leichter, wenn der Kunde den Menschen hinter einem Produkt oder einer Dienstleistung kennt. Stelle ich mich also auf der Über-uns-Seite als Mensch aus Fleisch und Blut dar, werde ich mehr verkaufen. Ganz ohne Werbefloskeln und Marketing-Blabla.

Haben Sie einige Content-Ideen dazu, was auf jeden Fall auf die „Über-mich“-Seite gehört?

Dr. Annika Lamer:

Jedes Unternehmen ist anders und wird folglich andere Dinge zu sagen haben. Es gibt aber ein paar typische Ansätze:

  1. Der Kopf dahinter: Wer hat das Unternehmen gegründet und warum? Wie kam er auf die Idee, was ist seine Motivation?
  2. Eine kleine Unternehmensgeschichte: Wie fing alles an? Welche Schwierigkeiten wurden auf dem Weg überwunden? Wo steht das Unternehmen jetzt?
  3. Das Team: Welche Menschen machen das Unternehmen zu dem, was es ist? Was begeistert sie an ihrer Tätigkeit?
  4. Blick hinter die Kulissen: Wie arbeitet das Unternehmen?

Wenn Sie das einmal durchspielen, haben Sie schon viele Content-Ideen gesammelt.

Wie umfangreich sollte die „Über-mich“ -Seite sein und gehören Bilder unbedingt dazu? Gibt es kreative Grenzen, etwa Grafiken, Videos, Illustrationen …?

Dr. Annika Lamer:

Ein Porträtfoto ist bei Einzelunternehmern fast schon ein Muss. Doch auch bei größeren Unternehmen sollte der Geschäftsführer Gesicht zeigen, gerne auch die Mitarbeiter. Wenn sich die Mitarbeiter nicht ablichten lassen wollen, muss man das natürlich respektieren. Auf keinen Fall sollten Sie zu diesen anonymen Fotostock-Bildern greifen, die irgendwelche Models in Schlips und Kostümchen zeigen.

Die bessere Alternative sind Kulissenbilder, etwa ein Blick in die Werkstatt, der die Mitarbeiter nur von hinten zeigt. Solche Alltagsbilder sind eh toll. Statt eines langweiligen Profilfotos kann man den Chef beispielsweise beim Kundengespräch zeigen. Gut ist alles, was Menschen in Aktion zeigt: die Catering-Firma beim Aufbau der Platten, die Designerin am Nähtisch, den Hundetrainer beim Training …

Natürlich können Sie dabei alles nutzen, was das Medium hergibt: Grafiken, Videos, Illustrationen, na klar.

Und der Umfang? Da gibt es keine Richtschnur – es kommt immer darauf an, wie viel Sie zu sagen haben. Bei umfangreicheren Inhalten rate ich allerdings zur Aufteilung: eine Seite „Über uns“, eine Unterseite „Das Team“, eine Unterseite „Blick in die Werkstatt“ … So bleibt jedem Leser selbst überlassen, wie tief er einsteigen möchte.

Gleichzeitig sollten Sie stets hinterfragen, was für den Kunden interessant sein könnte. Die Über-uns-Seite sollte keine Nabelschau werden, keine übertriebene Selbstdarstellung. Anstatt Ihren kompletten Lebenslauf einzustellen, greifen Sie lieber das heraus, was für Ihre jetzige Tätigkeit von Bedeutung ist. Wenn das dann auch noch spannend erzählt wird, ist alles super.

Aus welcher Perspektive („ich“- oder wir“-Form) sollte die „Über-mich“-Seite geschrieben sein?

Dr. Annika Lamer:

Als Einzelunternehmer in der Wir-Form aufzutreten, halte ich für einen großen Fehler. Zum einen ist es unehrlich dem Kunden gegenüber. Spätestens im Impressum fliegt der Schwindel auf. Zum anderen verschenkt der Einzelunternehmer damit ein großes Potenzial. Anstatt sich größer zu machen, als er ist, sollte er stolz auf seine Stärken verweisen. Denn der Solo-Status bietet auch Vorteile: hohes Engagement (für etwas brennen), persönlicher Kontakt, Menschlichkeit.

Als Kunde ist es doch schön zu wissen: Wenn ich da anrufe, gerate ich direkt an Frau X. Sie wird mich beraten. Sie persönlich wird dafür einstehen, dass unser Geschäft erfolgreich wird. Und wenn einmal Probleme auftauchen, ist sie für mich da. Wie soll ich zu jemandem Sympathie und Vertrauen aufbauen, der sich hinter einem „Wir“ versteckt?

Handelt es sich um ein etwas größeres Unternehmen, rate ich ebenfalls dazu, den Gründer in der Ich-Form vorzustellen. Er wird natürlich nicht nur über sich schreiben, sondern auch über die Mitarbeiter und das Unternehmen als Ganzes. Aber ein paar persönliche Worte zur Gründungsgeschichte machen sich immer gut. Anstatt hier die dritte Person zu wählen, sollte man ruhig in die erste Person wechseln.

Bitte stellen Sie doch die Struktur und den Aufbau der Seite in Listenform dar.

Dr. Annika Lamer:

Ich bin immer für Individualität im Netz und halte daher nichts davon, sich zu starr an irgendwelche Listen oder Strukturen zu halten. Deshalb an dieser Stelle nur ein grobes Gerüst:

Schritt 1: Um was für ein Unternehmen handelt es sich, was bietet es an? Wichtig ist, dabei den Kunden nicht zu vergessen, also seine Vorteile aufzuzeigen. Wenn diese Dinge schon an anderer Stelle genügend abgehandelt wurden, können Sie sich hier kurz fassen.

Schritt 2: Wer sind die Menschen hinter dem Unternehmen? Was ist ihre Geschichte, ihre Motivation?

Schritt 3: Zum Schluss sollten Sie den Kunden noch einmal abholen. „Kontaktieren Sie mich, ich berate Sie gern.“ /„Sie möchten mehr erfahren? Dann tragen Sie sich in den Newsletter ein.“ Ein Call-to-Action also.

Der Rest ist Persönlichkeit. Trauen Sie sich, dem Text Ihre eigene Stimme zu geben, und Sie werden es gut machen.

Ist es in Ordnung, wenn man andere die „About Page“ für sich schreiben lässt? Welche Vorteile bringt dies mit sich?

Dr. Annika Lamer:

Da ich meine Brötchen als Texterin verdiene, wird meine Antwort nicht überraschen: Klar können Sie die Seite von einem Profi schreiben lassen. Die Vorteile: Sie haben jemanden, der die richtigen Frage stellt – Fragen, auf die Sie vielleicht gar nicht gekommen wären. Sie bekommen eine Sicht von außen (was interessiert, was nicht?). Zu guter Letzt werden Ihre vielleicht etwas verschlungenen Gedanken in eine Struktur gegossen, das ist auch nicht zu unterschätzen.

Damit der Text trotzdem nach Ihnen klingt, sollten Sie dem Texter so viel wie möglich über sich erzählen. Ein guter Texter wird Ihre Persönlichkeit berücksichtigen und so viel O-Ton wie möglich von Ihnen übernehmen. Dann werden Sie sich in dem Text auch wiederfinden.

Vielen Dank für das Interview Frau Dr. Lamer!