Kai-Jürgen Lietz (Foto: Foto: Sergio Sandretto)
Kai-Jürgen Lietz

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Wer seinen Hafen nicht kennt, für den ist kein Wind günstigSeneca

Wir machen am Morgen die Augen auf und treffen die erste Entscheidung: Liegen bleiben oder aufstehen? Die erste von nicht weniger als 20.000 Entscheidungen an diesem Tag. Kai-Jürgen Lietz weiß, wie man mit diesem Berg von Entscheidungen umgeht. Und vor allem: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. Kai-Jürgen Lietz ist DER Entscheidercoach.

Herr Lietz, was glauben Sie? Was wird wohl der entscheidende Grund für viele Leser gewesen sein dieses Interview zu lesen? Die Überschrift, der einleitende Text, das Thema oder ...?

Kai-Jürgen Lietz:

All das spielt natürlich eine Rolle. Allerdings nutzten wir den Titel und die ersten Sätze als Signal, ob ein Text unsere Aufmerksamkeit verdient oder nicht.

Kommen wir noch einmal auf meine Einleitung zurück. Kann ich bereits schon am frühen Morgen die richtigen Entscheidungen (small win´s) für eine positive Einstimmung auf den Tag treffen?

Kai-Jürgen Lietz:

Unsere momentane Stimmung beeinflusst unsere Entscheidungen. Angenommen ich gehe spät schlafen und stehe entsprechend spät auf, habe keine Zeit für meine bessere Hälfte, stürze meinen Morgenkaffee hinunter, quäle mich fluchend durch den Morgenverkehr, um es gerade noch rechtzeitig in meine erste Besprechung zu schaffen.

Dann treffe ich vermutlich andere Entscheidungen, als wenn ich früh schlafen gegangen bin, ausgeschlafen aufstehe und alle Zeit der Welt habe, um den perfekten Morgen zu erleben. Tatsächlich sind es solche geplanten kleinen Siege, die den Erfolg in unserem Leben ausmachen.

Stichwort „Entscheidungsfallen“. Wie kann solch eine Falle beispielsweise aussehen.

Kai-Jürgen Lietz:

Wir stellen wir uns diese Fallen selbst. Ein gutes Beispiel ist Ihre Anfrage. Sie haben mich gefragt, ob ich dieses Interview mit Ihnen führe oder nicht. Denke ich jetzt über Ihre Anfrage nach, führt mich das direkt in die sogenannte Wahllosfalle. Denn meine Entscheidung geht ja eigentlich nicht darüber, ob ich für ein Interview zur Verfügung stehe oder nicht. Nein, tatsächlich entscheide ich darüber, was ich mit meiner Zeit mache, um am Ende des Tages sagen zu können: »Das war gut, Kai! Du hast das Beste aus Deiner Zeit gemacht.«

Durch die Fragestellung haben wir die Anzahl der möglichen Alternativen auf 2 reduziert haben. Mache ich es oder nicht? Und wenn ich nichts tue, dann werde ich vermutlich später nicht sagen können, dass ich meine Zeit sinnvoll genutzt habe.

 

Sie sagen: „Die Güte unserer Entscheidungen hängt davon ab, wie genau wir jeweils wissen, was wir in einer Situation wollen.“ Könnten Sie das bitte etwas ausführen?

Kai-Jürgen Lietz:

Jede Entscheidung beinhaltet zwei Beweggründe. Die Situation, in der wir uns befinden und die Zukunft.

Entscheidungen geben unserem Handeln eine Richtung. Daher sollten wir wissen, wo wir eines Tages herauskommen wollen. Das ist der Zukunftsteil. Leider haben wir meistens keine Vorstellung davon, wie unsere Zukunft aussehen soll.

Daher konzentrieren wir uns darauf, was wir ausgesprochen gut kennen, unsere Situation. Wir treffen unsere Entscheidungen dann eher kurzsichtig. Im schlimmsten Fall taumeln wir von einer Entscheidungssituation in die nächste, ohne dass sich etwas verbessert wird. Denn Gestaltungsspielräume ergeben sich immer erst für die Zukunft. Doch wenn wir sie nicht mitgestalten, haben wir darin auch keine Gestaltungsspielräume.

 

Sie sprechen auch davon, dass jeder Mensch natürliche Entscheiderfähigkeiten mitbringt. Wie kann es passieren, dass uns diese Fähigkeiten so oft abhanden kommen und neu entdeckt werden müssen?

Kai-Jürgen Lietz:

Zum Glück kommt hier nichts abhanden. Ein gesunder Mensch entscheidet immer. Es kann schon sein, dass uns die eine oder andere Entscheidung Probleme bereitet. Doch das ist eigentlich ein Zeichen dafür, dass unsere Entscheiderfähigkeiten hervorragend funktionieren.

Wie das?

Kai-Jürgen Lietz:

Nehmen wir an, wir haben die Wahl zwischen zwei attraktiven Jobangeboten. Obwohl beide sehr vorteilhaft sind und alle um uns herum bestätigen, dass wir eigentlich nur gewinnen können, kommen wir zu keinem Ergebnis.

Unsere Unschlüssigkeit ist ein Signal unserer glänzenden Entscheiderfähigkeit. Denn tatsächlich wollen wir keinen dieser beiden Jobs. Was andere gut finden, muss für uns nicht automatisch richtig sein. Unser Zögern und die Unfähigkeit, eine Wahl zu treffen ist ein Warnsignal, auf das wir hören sollten.

 

Ist es manchmal besser, lieber eine falsche als überhaupt keine Entscheidung zu treffen? Vielleicht haben Sie ja auch dafür ein anschauliches Beispiel.

Kai-Jürgen Lietz:

Ich verstehe, warum viele das so sagen. Das macht es trotzdem nicht richtiger. Wir könnten auch gleich sagen, dass der Entscheider die Warnsignale seines Entscheidungssystems ignorieren soll.

Entscheidungen sollten nicht viel Zeit kosten. Wenn eine Entscheidung viele Monate oder gar Jahre braucht, dann stimmt etwas nicht. Und dann hilft es auch nichts, noch länger darüber nachzudenken. Besser ist es dann, sich klar darüber zu werden, was wir wirklich wollen.

Stellen wir uns doch einmal den anderen Fall vor. Vor einigen Jahren waren meine Frau und ich auf Wohnungssuche. Es war wirklich frustrierend, denn die meisten Angebote waren nicht das was wir uns gönnen wollten.

Eines Tages hatten wir uns bei einem Besichtigungstermin verfahren und standen mit unserem Auto in einem Tal. Auf der einen Seite ein bewaldeter Hügel mit darin versteckten Wohnhäusern und auf der anderen Seite ein grasbewachsener Hügel auf dem idyllisch einige Schafe weideten. Das Ganze war so traumhaft, dass ich zu meiner Frau meinte: Sollten wir jemals hier eine Wohnung angeboten bekommen, dann sage ich sofort „Ja“. Zwei Wochen später kam es genauso. Wir bekamen unsere Traumwohnung auf dem bewaldeten Hügel mitsamt einer tollen Aussicht auf die Schafe. Auch heute noch, viele Jahre danach, schwärmen wir gerne noch von dieser Wohnung.

Wenn wir genau wissen was wir wollen und wir sehen es vor uns, fällt die Entscheidung leicht.

 

Vor dem Wandel steht zunächst mal die Selbsterkenntnis. Wie erkenne ich, dass ich eventuell Entscheidungsprobleme habe. Gibt es eine Art Test oder klare Symptome die Klarheit bringen?

Kai-Jürgen Lietz:

Das Schöne ist ja, dass wir keine Probleme haben. Sollten wir uns zum Beispiel nicht entscheiden können, ist das nichts anderes als ein Signal, dass wir so nicht weiter machen sollten.

Es gibt zwei besonders wichtige Signale. Wir können uns zum Beispiel in einer ungewohnten Situation überfordert fühlen oder wir zögern, weil wir entweder nicht wissen, was wir wollen oder uns fehlen die passenden Alternativen.

In beiden Fällen hilft immer der gesunde Menschenverstand. Fühlen wir uns überfordert, suchen wir uns Hilfe von jemanden, der sich damit auskennt. Zum Beispiel nehmen wir uns bei Rechtsstreitigkeiten einen Anwalt. Zögern wir, machen wir uns Gedanken darüber, was wir wirklich wollen und wie wir es bekommen. Was hingegen nicht hilft, ist sich die Alternativen schön zu denken. Entweder sie passen oder sie passen nicht.

Das ist alles keine Raketenwissenschaft. Allerdings ist es nicht immer ganz einfach ein motivierendes Zukunftsbild zu schaffen. Meiner Erfahrung nach, hakt es hier am häufigsten. Wir haben heute so viele Möglichkeiten, dass viele sich einfach nicht festlegen wollen. Doch das ist ein Fehler. Wenn wir nicht wissen, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen, sind unsere Entscheidungen weitgehend sinnlos. Das macht das Entscheiden schwer, weil wir selten das Gefühl haben, etwas richtig zu machen.

 

Was würden Sie jemanden raten, der Fehlentscheidungen vermeiden möchte?

Kai-Jürgen Lietz:

Wir machen immer gerne viel Lärm um nichts. Die Idee von Fehlentscheidungen gehört eindeutig dazu.

Stellen wir uns das Leben wie eine Wanderung vor. Jeder einzelne Schritt ist eine Entscheidung. Manchmal laufen wir Umwege und manchmal ist der direkte Weg nicht möglich. Denken wir über den einzelnen Schritt hinaus, spielt das alles keine Rolle. Denn wir werden unser Ziel schließlich erreichen. Problematisch ist es nur dann, wenn wir kein klares Ziel haben. Dann irren wir einfach nur umher und wundern uns, warum andere so viel Freude an der Wanderung haben.

 

Lassen Sie uns abschließend noch über Ihr Projekt „Sternstunden für Unternehmen“ sprechen. Welche persönliche Entscheidung von Kai-Jürgen Lietz steht dahinter?

Kai-Jürgen Lietz:

Die Sternstunde für Unternehmer gibt es ja schon länger. Ursprünglich hatte ich nach einer Lösung gesucht, um selbst mehr Auftritte als Redner zu haben. Dafür war das Konzept der Sternstunde perfekt.

Bei der Sternstunde für Unternehmer treten nacheinander sechs Redner für jeweils 10 Minuten auf. Die Sternstunden sind sehr kurzweilig und liefern den Zuhörern viele spannende und interessante Impulse in sehr kurzer Zeit.

Das Veranstaltungskonzept ist damals eingeschlagen wie eine Bombe. Wir haben inzwischen über 80 Sternstunden für Unternehmer im Rhein-Main-Neckar-Gebiet durchgeführt und das dahinter stehende Netzwerk umfasst mehr als 30 Redner. Wir geben jedes Jahr ein Referentenjahrbuch heraus, das ganz normal über den Buchhandel zu beziehen ist.

Meine ursprüngliche Motivation für die Sternstunde für Unternehmer spielt heute keine Rolle mehr. Daher moderiere ich meistens nur. Denn ich habe einfach Freude daran, mit anderen Rednern zusammen zu arbeiten und talentierte Kollegen zu fördern.

 

Vielen Dank dafür, dass Sie sich für dieses Interview entschieden haben Herr Lietz!