Felix Maria Arnet
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Felix Maria Arnet

Experte für persönliches Wachstum & Speaker
Inhaber


Im Scheitern nämlich erfahren wir unser Begrenztsein. Deshalb ist das Scheitern eine stärkere Erfahrung als der ErfolgReinhold Messner

Wissen Sie, was sich hinter dem Begriff Resilienz verbirgt? Es ist eine, bisher nur wenig untersuchte, seelische Kraft des Menschen. Diese befähigt ihn, mit Niederlagen und Misserfolgen besser umgehen zu können. Scheitern ist ein Tabuthema in unserer leistungsorientierten Gesellschaft. Doch Felix Maria Arnet ist davon überzeugt, dass gerade in einem gescheiterten Vorhaben sehr viel Potential und Kraft für zukünftiges Handeln stecken kann.

Herr Arnet, Sie packen mit Ihrer aktuellen Vortragsreihe ein heißes Thema an. Warum sprechen wir alle nur zu gerne über unsere Erfolge, nicht aber über unsere Misserfolge?

Felix Maria Arnet:

Ja, mein Vortrag titelt mit einer Ableitung aus einem russischen Sprichwort. Niederlagen sind wie ein Koffer ohne Griff: sehr unbequem zu tragen, aber zu wertvoll, um sie zurück zu lassen.

Herr Wenderoth, wie verklemmt unser Verhältnis zum Scheitern ist, zeigt allein, wie abstrakt wir mit dem Phänomen umgehen. Es gibt vergleichsweise wenige Sprichworte zum Scheitern oder zu Niederlagen, zumindest in unserer Sprache. Wir reagieren auf das Scheitern der anderen mit niedersten Emotionen, mit Häme oder Schadenfreude.

Scheitern wird als Fehlverhalten empfunden, oder als Unfall, jedenfalls als abnorm. Scheitern wir selbst, reagieren wir mir Schuld, Scham und Demut. Wir verstecken uns und unsere Niederlage, hoffen auf Vergessen, das eigene und das der anderen. Dabei gehört Scheitern zum Leben, ist omnipräsent, nicht auszurotten, zu verbieten, schön zureden oder umdefinieren. Scheitern passiert.

 

Zeit, Geld und viel Mühe investiert. Und dann die Erkenntnis: Gescheitert. Der Stachel sitzt tief. Was passiert mit einem Menschen, dem diese Wahrheit durch die Fakten fast schon aufgezwungen wird?

Felix Maria Arnet:

Egal wo man auf andere Menschen trifft, stets macht man sich bekannt mit immer denselben Stereotypen: beruflicher Status, persönlicher Besitz, tolle Kinder, sportliche Leistungen, exotische Reisen – mit lauter Erfolgsstories eben. Selten kommen dabei interessante Begegnungen und Gespräche zustande.

Jeder bleibt eindimensional, ein Abziehbild des anderen. Man hat ein paar belanglose Stunden unter seinesgleichen – und langweilt sich zu Tode. Wenn wir nicht zu unserer Misserfolgsvita stehen, lernen wir nichts dazu. Erfolg lässt sich oft nicht analysieren – aber das Scheitern können wir genaue benennen. Daran sollten wir lernen.

„Was mich nicht umbringt, das macht mich stärker“, sagte Friedrich Nietzsche. Wie halten Sie es mit diesem Sprichwort?

Felix Maria Arnet:

Ein kluger Mann … Betrachten wir das Scheitern als etwas Positives, nutzen dies als Chance, so wachsen wir an unseren Niederlagen und entwickeln neue Kräfte für zukünftig erfolgreiches Handeln.“ Es ist ein Appell zur Selbstermächtigung um unsere Stärken zu stärken.

Herr Arnet, Sie sagen: Hervorragend Scheitern, das gibt es. Haben Sie dafür ein Beispiel?

Felix Maria Arnet:

Ja, da kann ich Ihnen einiges aufzählen über das Phänomen „hervorragendes Scheitern“ zum Beispiel: Columbus’ Entdeckung Amerikas, Penicillin, Röntgenstrahlung, Teebeutel, Post-it.

 

„Trial-and-error“ ist in der Wissenschaft Lege artis, eine heuristische Methode. Wenn das Scheitern der Menschheit insgesamt so viel nützt, warum können wir es individuell für uns so schwer ertragen? Wir sollten lieber durch positives Scheitern unsere eigenen Lernprozesse überdenken.

Niemand ist immun gegen das Unglück oder Niederlagen. Ist es dabei aber nicht auch ein großer Unterschied, ob solche Dinge eigenverantwortlich oder fremdbestimmt geschehen?

Felix Maria Arnet:

Nun ja, angeboren ist das nicht, sehen wir wie Kinder aus dem scheitern lernen. Aber irgendwann passiert durch die Sozialisation – etwas, dass das Scheitern von der Chance zum Stigma werden lässt. Mit Beginn der frühen Auswahlprozesse, Einschulungstest, Schulnoten, Empfehlungen für weiterführende Beschulung, Sitzenbleiben wird Scheitern von einem Lernprozess zu einem Ausleseprozess, einer sozialen Desintegration, die die „Spreu vom Weizen trennt“.

Die Crux: Wer legt fest, was Spreu und was Weizen ist und anhand welcher Kriterien? Diese ersten Erfahrungen mit der sozialen Sanktionierung von Scheitern legen fest, wie wir selbst mit Misserfolgen umgehen. Meistens lassen wir uns entmutigen.

Wir machen nicht das Abitur, auch nicht nach der Lehre, wenn wir merken, dass wir eigentlich nicht Maurer, sondern Architekt werden sollten. Wir träumen von der Selbständigkeit, lassen uns aber von der mittelmäßigen Bewertung unseres Businessplans den Schneid abkaufen. Wir lassen das Buchmanuskript in der Schublade, weil kein Verlag auf das Exposé reagiert …

Deshalb glaube ich, egal ob eigenverantwortlich oder fremdbestimmt – wir machen all das nicht, obwohl es weder an Gelegenheit, Ressourcen oder Ideen mangelt, sondern nur an einem – dem Mut dran zubleiben.

Unser soziales Umfeld wird meist Zeuge unseres Scheiterns. Was passiert da eigentlich genau. Wie wichtig sind in solchen Lebensphasen Kollegen, Freunde und Familie?

Felix Maria Arnet:

Ohne ein gutes soziales Netzwerk, ich nenne diesen Personenkreis „Unterstützer”, neudeutsch könnte man auch „Supporter” sagen, ist eine Niederlage nicht zu meistern.

Ron Sommer, der gescheiterte Telekom Top-Manger sagte einmal: „Ohne Macht ist man mehr Mensch”. So eine Situation wünscht man keinem Freund, es ist für den Betroffenen eh ein Trauma. Damit muss man umgehen können. Leider haben wir in unserer hektischen Zeit, die Muse für Wertschätzung verloren.

Es wird schnell analysiert und abgestempelt. Der hat verloren, der ist nichts mehr Wert! Nach meiner Beobachtung, gibt es zwei Arten von Menschen, die einen die erst nach der Krise wieder auftauchen und die anderen, die an der Seite des „Gescheiterten” bleiben – für wen man sich nach dem Tal entscheidet, ist wohl jedem selbst klar.

Was möchten Sie Ihren Zuhörern vermitteln? Und: Haben Sie vielleicht einige konkrete Tipps für all die Leser dieses Interviews, die auch gerade mit einer Niederlage zu kämpfen haben?

Felix Maria Arnet:

Scheitern tut weh, sehr weh und wir müssen dabei hohe Resilienzen entwickeln. Mein Credo an meine geschätzten Zuhörer und Leser: „Geh und sammle all deine Koffer ohne Griffe ein; trage sie tapfer heim. Du wirst Schätze in ihnen finden.“

Wichtig ist bei einer drohenden Niederlage oder einem brutalen Scheitern zu wissen, dass wir intuitiv nicht immer das Richtige tun, weil unser Gehirn uns manipuliert. Oft treffen wir unter Druck die falschen Entscheidungen. Deshalb ist es gut, wenn wir „Unterstützer” finden, die mit uns die Situation reflektieren.

Leider handeln wir meist nach uralten Instinkten. Wenn wir uns in einer Phase der Niederlage befinden, spielen unsere Gefühle eine große Rolle. Denn wie stehen wir jetzt da, was sagt die Gesellschaft?

Mein Tipp, nicht reflexartig Reagieren sondern eher langsam denken und die Situation genau analysieren. Hierbei hilft ein guter systemischer Coach, der die Sachlage neutral beurteilen kann. Selbst in der größten Zwangslage gilt es die Kontrolle schnell wieder zurückzugewinnen!

Wir erinnern uns: Scheitern ist nicht vorgesehen, es ist ein Stachel der Moderne und in Deutschland immer noch Tabu. Deshalb möchte ich einen kleinen Teil dazu beitragen, mehr Verständnis für das Thema „Scheitern“ zu entwickeln.

 

Ich danke Ihnen für das Interview Herr Arnet!