Antje Heimsoeth

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Antje Heimsoeth
Inhaberin


Wer erfolgreich führen will, muss zunächst sich selbst gut führen könnenAntje Heimsoeth

Seoul, 28. September 1988. Olympische Spiele. Erste Disziplin im Zehnkampf ist der 100-Meter-Lauf. Nach drei Fehlstarts, wird der Modellathlet und dreifache Weltrekordhalter, Jürgen Hingsen, vom Aushängeschild der deutschen Leichtathletik – zum Buhmann der Nation. „Ich habe heute noch Alpträume und glaube, 100 m laufen zu müssen", sagte Hingsen noch 15 Jahre nach diesem für ihn so schicksalhaften Tag, in einem Interview. Ein Moment der mentalen Schwäche? Es gibt Situationen im Leben da muss man „liefern“. Wie wichtig es ist gerade dann, auf den Punkt, mental und emotional stark zu sein, weiß die ehemalige Leistungssportlerin Antje Heimsoeth. In Ihrem fünften Buch „Chefsache Kopf“ aber auch in Ihren Coachings, mit Managern aus der Wirtschaft, gibt sie dieses Wissen weiter. Sie gehört zu den bekanntesten Mental-Coachs und Vortragsrednerinnen in Deutschland.

Frau Heimsoeth, am Tag X die bestmögliche Leistung abrufen zu können. Ist das wirklich von entscheidender Bedeutung für Führungskräfte?

Antje Heimsoeth:

Sicher. Von Führungskräften wird immer Highperformance erwartet – als Vorbild, Stratege, Motivator, Vordenker und Retter in der Not. Wer hier in entscheidenden Momenten, zum Zeitpunkt X, Schwächen zeigt und nicht optimal handelt, gefährdet schnell seinen Platz an der Spitze. In der Lage zu sein, die bestmögliche Leistung auch unter widrigen Bedingungen abzurufen, hat – im Spitzensport wie im Management – viel mit einem guten Selbstmanagement zu tun.

Das heißt konkret für Führungskräfte: Wer erfolgreich führen will, muss zunächst sich selbst gut führen können. Wer soll mir folgen, wenn ich selbst den Eindruck vermittele, unsicher, gereizt zu sein, ziellos, demotiviert, schlecht vorbereitet usw.? Viele Führungskräfte sind sich gar nicht bewusst, wie sehr ihr eigenes Verhalten und Handeln auf andere abstrahlt und wirkt.

Wie sieht der aus, der Idealzustand zwischen Anspannung und Entspannung und wie kann man diesen gezielt erreichen?

Antje Heimsoeth:

Um den optimalen Leistungszustand zu erreichen, gehe ich von den beiden gegensätzlichen Zustände in mir aus – dem Zustand der Überaktivierung / Übermotiviert Seins / Stress, Druck, Angst und dem Zustand der Unteraktivierung / Langeweile / Entspannt-Seins. Der optimale Leistungszustand, ein „Mischzustand“, liegt irgendwo zwischen diesen beiden Zuständen, wo mein Anspannungsniveau optimal ist, d.h. voller Energie, Ruhe, Entspannung, Freude, Neugier, Gelassenheit und Kampfbereitschaft.

Um das zu erreichen, erinnere ich mich an Situationen, in denen ich „zu entspannt“ war und stelle mir diese so intensiv wie möglich vor, mit allen Sinnen (Was sehe ich? Was höre ich? Was fühle ich? Was rieche und schmecke ich?). Dann finde ich einen Leitsatz, Symbol, Titel oder Bild für diese Situation. Danach erinnere ich mich mit der gleichen Intensität an hoch-, überaktivierte Situationen, rufe das dazugehörige Gefühl ab, widme mich den Gedanken, die die Situation begleiteten.

Auch für diese Situation finde ich einen Leitsatz, Bild, Titel oder Symbol. Dann bewege ich mich zwischen diesen beiden Zuständen hin und her und achte darauf, wo der Ort ist, wo ich mich wohl fühle, es für mich optimal ist. Das ist die „Hochleistungszone“. Wann fühle ich mich am wohlsten? Wie verändert sich meine Körperhaltung, Atmung und Muskelspannung?

Auf diese Weise ermittle ich meinen optimalen Leistungszustand und speichere dann das damit verbundene Gefühl ab mit einem Signalwort, Leitsatz, Bild oder Symbol. So gelingt es mir, die Hochleistungszone immer wieder abrufen zu können.

„Wer sagt was über meine Präsentation, meinen Vortrag ...“ Wenn die Ängste in unserem Kopf die Regie übernehmen, wozu kann das führen?

Antje Heimsoeth:

Wenn die Angst, z.B. vor Versagen oder Blamage, unverhältnismäßig groß ist, kann das zu Blockaden führen. Dann bin ich in meinem Denken blockiert, verliere den roten Faden, vergesse vorbereitete Inhalte und kann nicht mehr mein volles Leistungspotenzial abrufen. Der Kopf ist „leer“.

Im Extremfall kann jemand kollabieren oder einen Blackout erleben – so erst auf einer Speaker Convention in Washington bei einem Speakerkollegen erlebt. Meine Ängste können dazu führen, dass aus meinen Befürchtungen Realität wird, weil sie meine mentale Steuerzentrale permanent mit entsprechenden Bildern bedienen, die diese als Handlungsanweisung versteht.

Vor einer Präsentation macht es einen großen Unterschied, ob ich denke: Wie wird das Publikum wohl mein Thema und die ausgewählten Beispiele annehmen? Finde ich die richtigen Worte? Sind meine PowerPoint-Charts ansprechend? Wirke ich authentisch und souverän? Oder ob ich voller Selbstvertrauen auf die Bühne gehe und meinen Vortrag halte. Doch wenn Angst die Regie übernimmt, bröckelt mein Selbstvertrauen.

Und jetzt frage ich Sie: Wenn Sie selbst nicht mehr von sich überzeugt sind, wen wollen Sie dann noch erfolgreich von sich und Ihren Impulsen in einer Präsentation oder einem Vortrag überzeugen?

Gibt es Techniken die man kennen und nutzen sollte und welche sind das?

Antje Heimsoeth:

Es gibt viele mentalen Techniken, die helfen, sich selbst zu regulieren, um z.B. von einem Zustand der Angst in einen ruhigeren Zustand zu kommen. Viel lässt sich bereits über die Atmung regulieren. Wenn wir aufgeregt oder ängstlich sind, atmen wir flach und schnell. Konzentrieren wir uns dann bewusst auf unsere Atmung und steuern ihn durch eine lange, tiefe Atmung bis in den Bauch hinein, wobei das Ausatmen mindestens doppelt solange wie das Einatmen ist, stellt sich nach wenigen Minuten bereits Entspannung ein, der Puls wird ruhiger.

 

Manche Ängste beruhen auf negativen Erlebnissen in der Vergangenheit. Solche angstauslösenden Erlebnisse lassen sich nachbearbeiten, damit sie sich nicht mehr auf unser Handeln im Hier und Jetzt auswirken. Sehr effektiv ist hier die wingwave®-Technik, die mit schnellen Augenbewegungen arbeitet. Diese Technik bedarf zunächst der Anleitung durch einen Coach und dient der Stressbewältigung, dem raschen Abbau von Erfolgsblockaden und der Steigerung der Kreativität und des Wohlgefühls. Die gezielten Augenbewegungen sorgen dafür, dass die Erinnerung an das vergangene unangenehme Erlebnis verblasst und die Einflüsse negativer Gedanken auf unseren Körper (Muskulatur) verschwinden.

 

Neben vielen anderen Techniken hilft es, die Thymusdrüse zu klopfen. Sie liegt ca. vier Finger breit unterhalb der Halskuhle hinter dem Brustbein in der Mitte des Brustkorbs. Diese klopft man mit den Fingerspitzen oder sanft mit der Faust. Klopfen Sie solange, bis Sie einen tiefen Atemzug machen müssen. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich etwas gelöst hat.

Beim Klopfen können Sie folgende Affirmation (positives Selbstgespräch) sagen: „Ich liebe, glaube, vertraue, bin dankbar und mutig.“ Ich wende das Klopfen der Thymusdrüse z.B. vor einem großen Auftritt z.B. vor einer Präsentation und vor einem Wettkampf an.

Entspannung, Erholung, Regeneration kennt jeder aus dem Sport. Können Sportler damit auch Vorbilder für Manager sein?

Antje Heimsoeth:

Ja. Während Sportler sich zwischen zwei Wettkampfsaisons eine Pause gönnt, um zu regenerieren, bewegen sich Manager in einer Art Dauermarathon durchs Leben. Härte gegen sich selbst ist bei ihnen oft obligatorisch, um Stress und Druck standzuhalten. Studien belegen, dass Führungskräfte im Schnitt nur fünf Stunden pro Nacht schlafen. Berufliche und private Belastungen hindern sie am Ein- und Durchschlafen. Mit fatalen Folgen: Konzentrations- und Leistungsfähigkeit lassen erheblich nach. Profisportler hingegen verbringen die meiste Zeit damit, sich fit für Höchstleistungen zu machen. Sie richten den Fokus auf Aufbau, Erhalt und Erneuerung ihrer Energie, die sie für erfolgreiche Wettkämpfe benötigen. Spitzensportler werden erst durch Pausen richtig gut!

Manager gönnen sich oft nicht mal vier Wochen Urlaub im Jahr. Und selbst am Wochenende ist der Griff zum Smartphone oder Tablet für sie oft selbstverständlicher, als sich bewusst eine Auszeit zu nehmen. Während Manager im Business darauf getrimmt sind, mit den Ressourcen des Unternehmens achtsam umzugehen, ist ihre Achtsamkeit für den Erhalt eigener Ressourcen gering. Doch wer sich körperlich permanent am Limit bewegt, bringt irgendwann keine Höchstleistungen mehr.

Der körperliche Haushalt folgt den gleichen Gesetzen wie der wirtschaftliche: Wer kontinuierlich mehr ausgibt, als er einnimmt, wirtschaftet sich in den Ruin. Manager tun also gut daran, sich am Energiemanagement von Sportlern zu orientieren. Regeneration, also Erholung von vorangegangenen Belastungen und Erholung als aktiver Prozess, bei dem man sich ausruht, um wieder zu Kräften zu kommen sowie Entspannung geben neue Energie für mehr Leistung. Und das wirkt sich übrigens auch positiv auf die Psyche aus.

Warum sind Rituale und Routinen so bedeutsam?

Antje Heimsoeth:

Weil sie uns gerade in herausfordernden Situationen Stabilität und Sicherheit schenken. Sportler profitieren im Wettkampf von ihren Routinen, die sie sich im Training angeeignet haben. Erworbene Routinen laufen automatisch ab. Sie entsprechen Programmen, die wir zuvor in unser System eingespeist haben und die nun, beim Erbringen der Höchstleistung, abgerufen werden.

Diese gleichbleibenden, nach festen Regeln ablaufenden Handlungen unterstützen uns, gerade dann, wenn Höchstleistungen gefragt sind. Sie ordnen Abläufe, verleihen Sicherheit, fördern Lockerheit und Entspannung, wir kommen beim Ausüben der Routinen zur Ruhe, unsere Nerven beruhigen sich. Routinen sorgen in schwierigen Situationen für Orientierung und Halt, nehmen uns die Angst vor dem Unbekannten, weil sie uns vertraut sind. Dennoch ist es wichtig, Routinen an veränderte Rahmenbedingungen anpassen zu können, sie sollten ein Stück weit flexibel bleiben.

 

Anders ist es mit Ritualen, die sozusagen „starr“ sind. Die Wirksamkeit eines Rituals entspricht dem berühmten Placebo-Effekt. Im Gegensatz zu Routinen sind Rituale rigide Verhaltensmuster, die einem unveränderlichen Plan folgen. Ob es das Mitführen eines Maskottchens oder das Tragen eines Glücksbringers ist, das Bekreuzigen oder das Sprechen eines Gebets vor einer Herausforderung ist – in der Regel beschwören wir damit eine höhere Macht, die uns beim Bewältigen der Herausforderung unterstützen soll.

Auch hier geht es darum, unser Wohlbefinden zu steigern und unser Selbstvertrauen zu stärken, kurz: die Nerven zu beruhigen. Um den Druck in einem Turnier zu kompensieren, hat eine Klientin von mir, eine junge Reitsportlerin, folgendes Ritual: Wenn bei ihr negative Gedanken wie „Das schaffe ich nicht!“ aufkommen, macht sie mit ihrer Hand eine Wegwerfbewegung zur Seite. Diese Geste kann sie überall anwenden, auch auf dem Pferd und im allerletzten Moment, bevor sie startet. Nach der Handbewegung bestärkt sie sich selbst. Auf diese Weise stabilisiert sie ihren Zustand und wird ruhiger.

 

Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Führungskraft – ich nenne ihn hier Herrn Konrad -, die zu mir ins Coaching kam, litt u.a. unter Überforderung und mangelnder Work-Life-Balance. Herr Konrad hat verschiedene mentale Übungen erfolgreich angewendet, um seinen Zustand zu verändern. Eine davon ist das Feierabend-Ritual, mit dem er sicherstellt, dass er seine Arbeit nicht mehr mit nach Hause nimmt, sondern Abstand zum Job gewinnt und sich abends entspannen kann:

Bevor er das Büro verlässt, erkundigt er sich bei seinen Mitarbeitern, ob alles okay ist. Er fertigt eine Erledigungsliste (To-do-Liste) für den nächsten Tag an. Dann fährt er seinen Computer herunter und klopft auf seinen Schreibtisch. Beim Rausgehen verabschiedet er sich von allen, denen er begegnet und spricht dabei nichts Dienstliches mehr an. Den Heimweg nutzt er zum inneren Abschalten, Gedanken an die Arbeit sind tabu. Am Ortsschild (oder an der letzten Bahn- oder Busstation) hält er inne: Denkt er gerade noch an die Arbeit? Falls ja, stoppt er die Gedanken. Er schickt sie fort, indem er leise (besser laut) sagt: „STOPP!“ Zusätzlich kann er sich noch mit einer Hand auf seinen Schenkel klopfen. Dabei atmet er ruhig und tief. Er stellt sich vor, wie sich der Gedanke in Luft auflöst. Zuhause angekommen legt er sein Handy im Flur ab, in einem dafür vorgesehenen Korb, und schaltet es aus – und erst morgens wieder an. Zuhause wechselt er seine Dienstkleidung gegen seinen Freizeitdress ein, nimmt eine heiße Dusche, sozusagen um den Tag „abzuduschen“, taucht so förmlich ins Privat- und Freizeitleben ein. Herr Konrad macht erst mal nach dem Umziehen 20 Minuten Musik im Musikzimmer im Keller. Dann taucht er wieder auf, unterhält sich mit seiner Frau und den Kindern, das gemeinsame Abendessen ist der Höhepunkt seines Feierabends. Es ist Konsens, dass bei der Mahlzeit kein Handy auf dem Tisch liegt oder der Fernseher läuft. Er sieht nur noch sehr selten fern, sondern liest stattdessen, tauscht sich mit seiner Frau aus oder trifft gelegentlich Freunde. Der Verzicht aufs Fernsehen zahlt übrigens auch aufs Beziehungskonto ein. Denn die so gewonnene gemeinsame Zeit nutzen Herr Konrad und seine Frau für Gespräche, die nicht allein aus Alltagsthemen und Terminplanungen bestehen. Läuft der Fernseher, ist Kommunikation meist kaum möglich und beschränkt sich aufs Nötigste. Morgens geht er übrigens wieder joggen, wie er es früher auch schon getan hat.

Wenn es Ihnen nicht um schneller, höher, besser geht, um was geht es Ihnen dann?

Antje Heimsoeth:

Es geht mir vor allem darum, Lebensqualität und Lebensfreude zu entdecken, zu nutzen und zu steigern. Viele Menschen werten sich und andere ständig ab, begrenzen sich selbst oder lassen sich von anderen zu stark eingrenzen und nutzen ihre Potenziale nicht. Meine Klienten lernen, sich selbst zu reflektieren, sich selbst zu coachen, sich und ins Leben zu vertrauen und an sich zu glauben. Sie werden sich ihrer selbst bewusst. Hat man hier Klarheit gewonnen, gelingt es auch, hinderliche Gedanken- oder Verhaltensmuster, ein Energie raubendes Umfeld oder selbst auferlegte Grenzen loszulassen. Auf diese Weise wird die Erreichung von Zielen möglich, die man für unerreichbar hielt.

 

Es gilt, ins TUN zu kommen, mehr Fragen zu stellen statt zu bewerten und zu interpretieren, positive Kommunikation nach innen und außen, neue Wege zu beschreiten und persönliche Stärken zu entfalten. Wer weiß, wo seine Stärken liegen und diese bewusst nutzt, wird Erfolg ernten, was immer Erfolg für den Einzelnen ist. Und es geht mir um Achtsamkeit, Respekt und Wertschätzung – sich selbst und anderen gegenüber. Ein Weg ohne Achtsamkeit und Wertschätzung führt meines Erachtens in eine Sackgasse.

 

Der jüdische Talmud hat dafür eine gute Handlungsanweisung: „Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden zu Worten. Achte auf Deine Worte, denn sie werden zu Handlungen. Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden zu Gewohnheiten. Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.  Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.“

Keine Zufriedenheit, keine Leistung. Sie haben auch mit Oliver Kahn über dessen Ansicht dazu gesprochen?

Antje Heimsoeth:

Ja, ich hatte das große Glück, für mein neues Buch „Sportmentaltraining“, das im Herbst 2015 erscheinen wird, mit Oliver Kahn über Mentale Stärke sprechen zu können, ebenso wie mit weiteren Spitzensportlern und Top-Trainern. Oliver Kahn hat für sich bereits als Nachwuchstorhüter erkannt, dass der mentale Zustand ein entscheidender Aspekt für sportliche Erfolge ist und das für sich genutzt.

Und er hat auch erlebt, wie sich private Probleme auf seinen Leistungszustand ausgewirkt haben. Es mangelte ihm an Motivation und Konzentration, weil sein Unterbewusstsein permanent mit seinen Problemen beschäftigt war. Er machte sehr deutlich, wie entscheidend die Rolle des privaten Umfelds für den Erfolg bei einem Sportler ist. Und das lässt sich auch auf das Berufsleben übertragen. Manager, deren privates Umfeld nicht intakt ist oder schlichtweg fehlt, werden über weniger Stabilität verfügen als solche, die ein unterstützendes privates Umfeld haben.

Für Sie steht der Punkt „Beziehungsmanagement“ ganz oben. Reden wir alle zu wenig miteinander, Frau Heimsoeth?

Antje Heimsoeth:

Ja, definitiv. Wir schreiben zwar den lieben langen Tag ungezählte Mails, versenden Kurzbotschaften mit unseren Mobiltelefonen und posten in sozialen Netzwerken, aber das direkte Reden, 1:1, bleibt auf der Strecke. Mir scheint, es macht vielen zu viel Mühe, weil es danach verlangt, in einen Dialog zu treten. Weil es bedeutet, nicht nur zu senden, sondern auch zuzuhören, direkt zu reagieren, evtl. Stellung beziehen zu müssen. Im direkten Gespräch werden viel mehr Botschaften auf verschiedenen Ebenen vermittelt, als es ein Schriftstück je könnte. Das hilft oft dabei, den anderen besser zu verstehen.

 

Und wenn wir abends nach einem langen Arbeitstag nach Entspannung suchen, meiden wir wieder das Gespräch, sondern lassen uns vom Fernsehen oder Spielen am PC berieseln. Dabei kann ein anregendes Gespräch mit seinem Beziehungspartner, den Kindern oder Freunden ebenso für Entspannung sorgen und bringt uns einander näher. Letztlich ist uns allen wichtig, gesehen und wahrgenommen zu werden, Feedback zu bekommen und uns auszutauschen. Beziehungen muss man pflegen wie ein empfindliches Pflänzchen – sei es die Beziehung zu Lebenspartnern, Kindern, Freunden, Geschäftspartnern, Kollegen oder Mitarbeitern.

Die alljährliche Gallup-Studie macht es deutlich: Die emotionale Bindung eines Mitarbeiters ans Unternehmen basiert auf der Art des Umgangs mit ihm, mit anderen Worten: auf der Qualität der Beziehung. Eine funktionierende Beziehung lebt von gemeinsamen Zielen, die als gemeinschaftliche Aufgabe betrachtet werden und davon, sich Freiräume zur Weiterentwicklung zu lassen.

Wer mental stark ist strahlt Ruhe, Souveränität und Sicherheit aus. Eigenschaften, die jeder Chef unbedingt haben sollte?

Antje Heimsoeth:

Es sind zentrale Skills, über die eine Führungskraft verfügen sollte. Stellen Sie sich einen Kapitän an Bord eines Schiffes bei schwerem Sturm vor. Jetzt kommt es auf jeden Handgriff und die richtigen Entscheidungen an, damit das Schiff nicht kentert. Die Mannschaft braucht in einer solchen Situation klare Anweisungen und das Gefühl, dass der Kapitän weiß, was zu tun ist. Diese Sicherheit und Souveränität muss der Kapitän ausstrahlen, gleichzeitig muss er mit Bedacht Entscheidungen fällen. Hier wäre Hektik, gar Panik, Unsicherheit oder Wankelmut absolut fehl am Platz. Diese Sicherheit kann der Kapitän aber auch nur ausstrahlen, wenn er sich seiner Sache gewiss ist, wenn er an seine Fähigkeiten glaubt, diesen Sturm überstehen zu können und auf sein Können vertraut. Und das wiederum zeichnet mentale Stärke aus. Sie bedeutet, Herausforderungen mit Klarheit, Zuversicht und Gelassenheit zu begegnen.

 

Außerdem ist der Chef auch immer Vorbild. Je ruhiger, souveräner und sicherer der Chef agiert, desto mehr davon übernimmt auch sein Team. Und das trägt zum gemeinsamen Erfolg bei. Je unsicherer und hektischer der Chef handelt, desto unsicherer wird auch das Team. Und das könnte der Beginn eines gemeinsamen Misserfolgs sein. Wer hingegen souverän ist als Chef, gewinnt an positiver Autorität und an Ansehen hinzu. Das festigt die Position langfristig.

„Die beste Zeit meines Lebens ist genau jetzt.“ Was überzeugt Sie so von dieser Grundhaltung zum Leben?

Antje Heimsoeth:

Es gibt nur eine Zeitphase, die wir aktiv beeinflussen können – und das ist das Hier und Jetzt. Was vergangen ist, ist vergangen. Wir können es nicht mehr ändern, lediglich unsere Lehren daraus ziehen. Was kommen wird, können wir nur bedingt beeinflussen, weil es viele unkalkulierbare Faktoren gibt, die außerhalb unseres Einflussbereiches liegen. Deshalb macht es Sinn, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren und die Energie auf ihre Gestaltung zu verwenden.

ÜBER ANTJE HEIMSOETH: Antje Heimsoeth, Dipl.-Ingenieurin (FH), Coach, ECA und DVNLP, zert. Mental Coach, Gesundheitstrainerin, ECA Sport Coach (Master Competence), zert. Entspannungspädagogin, zert. Business Coach, Speaker mit mentalem Olympiafaktor: Go for Gold! „Vortragsrednerin des Jahres 2014“. Weltweit tätig - mit eigenem Institut. Auftritte bei Sport1, hamburg1, BR und Sky sowie auf AIDA. Bestsellerautorin, gerade erschienen: „Chefsache Kopf. Mit mentaler und emotionaler Stärke zu mehr Führungskompetenz“, Springer Gabler.