Nicolas Scheidtweiler

Nicolas Scheidtweiler

Scheidtweiler PR
Inhaber


Ein Funken Humor oder Selbstironie kann helfen, aufziehende Konflikte zu entschärfen.Nicolas Scheidtweiler

Mit dem „guten Ruf“ ist das ja immer so eine Sache. Da geben Unternehmen über Jahre hinweg Unsummen für Imagekampagnen aus und dann kommt sie: die gezielte, öffentliche Kritik an einem Konzern oder einem Produkt. Der ADAC oder auch BURGER KING können ein Lied davon singen. Die Folgen eines Shitstorm sind oft gravierend bis verheerend. Diesen ins Leben zu rufen ist verhältnismäßig einfach. Insbesondere die sozialen Medien der Gegenwart machen es möglich. Medienschaffende, unzufriedene Kunden und sich ungerecht behandelte Mitarbeiter haben damit ein sehr effizientes Sprachrohr gefunden. Die Situation „David gegen Goliath“ verschafft Sympathien, Solidarität und Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Lässt sich so ein Szenario vermeiden? Und wie sollten Unternehmen damit umgehen, wenn der Shitstorm schon über sie hinweg fegt? Nicolas Scheidtweiler ist PR-Experte und hatte interessante Antworten auf meine Fragen.

Herr Scheidtweiler, wie groß ist die Gefahr eines Shitstorms für Unternehmen heute?

Nicolas Scheidtweiler:

Die Gefahr ist natürlich weiter da. Aber im Gegensatz zur jüngeren Vergangenheit vor circa 2 – 3 Jahren als das Phänomen noch neu war, ist diese relativ. Per Definition ist ein Shitstorm eine zeitlich und auf einen Sachverhalt konzentrierte, negative Kritik, die sich über die Social Media viral verstärkt.

Basis ist im Allgemeinen eine unsachliche, subjektive Wahrnehmung eines einzelnen Nutzers. Immer häufiger versuchen Nutzer der verschiedenen Netzwerke einen Shitstorm einzuleiten. Dadurch wird die Wucht des einzelnen immer geringer und prallt an der Reputation des „Gegners“ leichter ab.

Welche Folgen kann dieser „schlimmste aller Fälle" nach sich ziehen?

Nicolas Scheidtweiler:

Die Erfahrung zeigt, dass ein Shitstorm keine lange Wirkung hat. Egal ob Shell, RWE oder Henkel. Alle kehren nach Verebben des Shitstorms zu ihren alten Umsätzen zurück.

Ein Shitstorm erfordert eine emotionale Beziehung zu einem Produkt oder einer Person. Diese ist meist über Jahre gewachsen und wir kaum über ein singuläres Ereignis zerstört werden.

Glauben Sie, dass die meisten Unternehmen auf eine derartige Situation vorbereitet sind? Gibt es Anzeichen, die es zu erkennen gilt?

Nicolas Scheidtweiler:

Das lässt sich kaum so sagen. Je größer desto professioneller. Konzerne setzen entsprechende Monitoring-Instrumente ein, um frühzeitig Shitstorms in den Social Media zu erkennen.

Richtig professionell wird es erst, wenn die Verfahren auch geübt werden. Wer macht was, wann, wie? Wer entscheidet?

Brauchen Firmen ein professionelles Krisenmanagement?

Nicolas Scheidtweiler:

Je nach Art und Größe eines Unternehmens sollte es eine Selbstverständlichkeit sein. Aber auch schon der kleine Handwerksbetrieb sollte sich überlegen, wie er in der Krise mit seinen Kunden oder Mitarbeitern umgeht.

Unter professionell verstehe ich in diesem Fall einen Plan mit festgelegten Reaktionen zu haben, der Mitarbeitern in der Kommunikation oder im Vertrieb hilft, im Sinne des Unternehmens Antworten geben zu können, dabei freundlich, verbindlich und offen zu bleiben.

Und auf der anderen Seite Wahrnehmungen, die auf eine Krise hindeuten können direkt an die Geschäftsleitung zu melden. Somit bedeutet Professionalität auch eine interne Offenheit.

Oft reagieren Unternehmen aggressiv, ausweichend oder überhaupt nicht - und machen dadurch noch alles schlimmer?

Nicolas Scheidtweiler:

Das sind natürlich genau die Verhaltensweisen, die ein Kommunikator im Unternehmen je nach Lage vermeiden muss.

Oftmals kommt es dabei zum Konflikt mit der eigenen Geschäftsleitung, die den kommunikativen Bedarf nicht erkennt und vermeiden will, dass das Thema auf der Agenda erscheint. Jedoch entscheidet an dieser Stelle nicht das Unternehmen, sondern die Stakeholder.

Ist eventuell auch ein Umdenken in der Öffentlichkeitsarbeit erforderlich?

Nicolas Scheidtweiler:

Aus meiner Sicht ist kein grundsätzliches Umdenken erforderlich. Vielmehr geht es um die konsequente Umsetzung der vorhandenen Instrumente.

Insbesondere das Issue Management ist heute ein Bereich, der vernachlässigt wird. Ein guter PRler muss die Kommunikation des Wettbewerbs und der unterschiedlichen Zielgruppen beobachten.

Dann besteht immer die Möglichkeit, diese Erkenntnisse frühzeitig zu nutzen, um aufziehende Krisen durch Shitstorms zu bewältigen, wenn nicht sogar positiv für sich zu nutzen. Mit den richtigen Reaktionen ist jede Krise handhabbar und eine Chance zum Reputationsgewinn.

Ehrlichkeit, Offenheit, Fairness. Der einzig richtige Weg, um nicht Menschen in großer Zahl gegen sich aufzubringen? Ihre Empfehlung bitte!

Nicolas Scheidtweiler:

Die genannten Werte sind mit Sicherheit die Grundlage, um die Gefahr eines Shitstorms zu minimieren. Wie beschrieben, sind es jedoch oftmals subjektive Auslöser, die zu einer kommunikativen Krise führen.

An dieser Stelle gilt es zu verdeutlichen, dass man sich als Unternehmen um das Anliegen kümmert, auch wenn das operative Geschäft keine Gründe liefert.

So würde ich noch Augenhöhe und Verständnis ergänzen. Und nicht zuletzt kann ein Funken Humor oder Selbstironie helfen, aufziehende Konflikte zu entschärfen.

Vielen Dank für Ihre Sicht der Dinge Herr Scheidtweiler!