Stephan A. Göbeler

Stephan A. Göbeler

printexpert | marketing & consulting
Inhaber


Mein Anspruch ist es, diese Druckereien vollumfänglich und mehrwertig darin zu unterstützen, die Übersicht über dieses fast unbeherrschbare Spektrum von sich permanent ändernden digitalen Anforderungen zu behalten.Stephan A. Göbeler

Der Kampf ums Überleben in der Druckindustrie dauert an. Es gibt viele Verlierer aber nur wenige Gewinner. Den einen haftet eine Jahrhunderte alte Tradition an. Den anderen eilt der wenig schmeichelhafte Ruf von Billiganbietern voraus. Kann es wirklich eine Koexistenz von traditionellen Druckereien und Onlinedruckereien geben? Stephan A. Göbeler, erläutert seine Sicht der Dinge.

Wer sind Sie und was machen Sie genau bitte?

Stephan A. Göbeler:

Ich bin ein mitunter kritischer Beobachter, um nicht zu sagen „Big-Brother“, der Entwicklungen der Druckbranche hinsichtlich Marketing und Software, vom Management-Information-System (MIS) über Web-to-Publish-Module (W2P) bis hin zur mobilen App. Aus dieser Spannbreite ergibt sich das Beratungsportfolio für meine Kunden, in der Regel mittelständische Druckereibetriebe in Deutschland.

Mein Anspruch ist es, diese Druckereien vollumfänglich und mehrwertig darin zu unterstützen, die Übersicht über dieses fast unbeherrschbare Spektrum von sich permanent ändernden digitalen Anforderungen zu behalten.

Aufgrund des operativen Tagesgeschäfts, in denen die Entscheidungsträger oft zu hundert Prozent eingebunden sind, fehlt meistens die Zeit sich mit diesen Dingen im Detail zu beschäftigen. Ich übe als Berater und Begleiter dabei eine Schnittstellen- bzw. Connector-Funktion zwischen Druckerei und Software- bzw. Marketing-Anforderung aus.

"Technologie folgt Strategie". Glauben Sie, dass viele Druckereien diesem Leitsatz folgen? Und dies im Vorfeld der diesjährigen Drupa?

Stephan A. Göbeler:

Ich kann es nur hoffen, wahrscheinlich aber eher nicht. Die Branche selber ist leider zu sehr technikverliebt und die Drupa ist nun mal eine Technikmesse. Technik und die daraus erzeugten Produkte sind früher oder später immer austauschbar. Das erfordert in immer kürzeren Zyklen Neuinvestitionen. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, wohin solch ein Wachstumsdruck führen kann.

Eine nachhaltige und konzeptstarke Strategie, der man entsprechend Zeit geben, muss quasi organisch zu wachsen, ist dagegen nicht so schnell austauschbar. Die Vergangenheit – in der Rückblende zur letzten Drupa (2008) – hat gezeigt, dass technologische Investitionsentscheidungen nur in Verbindung mit der zur Technik kompatiblen Strategie erfolgreich sind. In Analogie zu erfolgreichem und mehrwertigem Industriedesign à la „Form follows Function“ ergibt sich „Technology follows Strategy“ im Sinne der zukünftig erfolgreichen Gestaltung eines Druckunternehmens.

Klassische Druckerei gegen große Onlinedruckerei. Überleben wird der mit dem besseren Marketing?

Stephan A. Göbeler:

Man muss erst einmal betrachten, was überhaupt vermarktet wird. Das Prinzip Onlinedruckerei bricht mit dem klassischen Vertriebs- und Produktionsmodell der Offlinedruckereien, das in der Regel lautet: „Wir machen Druck!“ Durch die Möglichkeiten des überregionalen und heute europäischen Onlinevertriebs konnte das Potenzial des Onlinemarketings – heute Multichannel-Marketing – für Onlinedruckereien erst wirtschaftlich sinnvoll ausgenutzt werden.

Vermarktet wird aber das Geschäftsmodell als solches: einfach – günstig – online. Das Produkt Drucksachen ist eigentlich nebensächlich und könnte theoretisch durch andere Produkte, z.B. Möbel, ausgetauscht werden. Das Produkt ist Mittel zum Zweck des Absatzes am Markt. Im Fokus stehen hier die industriellen Produktionsmöglichkeiten. Der Blick auf den Kundenmarkt und das damit verbundene Marketing ist deshalb bei Onlinedruckereien ein integraler Bestandteil des Geschäftsmodells.

Klassische Druckereien blicken immer noch zu sehr auf sich selbst und die Ihnen zu Verfügung stehenden technischen (begrenzten) Möglichkeiten: Wir machen Druck! Historisch aus Handwerksbetrieben entstanden, ist das erklärbar, führt aber zum immanenten Problem der reinen Technikfokussierung. Drucken als Selbstzweck. Das allein reicht aber längst nicht mehr aus, denn bei den Onlinedruckereien ist das Drucken eine Selbstverständlichkeit, die nicht im Vordergrund steht.

Für Offlinedruckereien ist es heute wirtschaftlich fast nicht zu rechtfertigen, entsprechende Ressourcen in Multichannel-Marketing (Print – Web – Mobile – Radio – TV) zu investieren. Die Preise für Massendrucksachen sinken weiter, die Materialpreise steigen weiter. Die Erträge der Druckprodukte, die sich mit denen der Onlinedruckereien überschneiden, reichen in vielen Fällen gerade zum Überleben aus. An Marketing ist da gar nicht mehr zu denken. Für klassische Druckereien sind daher innovative Marketingkonzepte erforderlich. An solchen arbeite ich zurzeit mit Partnern.

Im Übrigen stimmt es nicht, dass Onlinedruckereien per se billig sind. Den Glauben daran allerdings schüren wiederum das Marketing in Form von omnipräsenter Werbung und die tatsächlich billigen Teaser wie Flyer und Visitenkarten. Übrigens durchaus vergleichbar mit bekannten Schnellspar-Angeboten von Fast-Food-Ketten.

Den Best-Practise Marketingfall einer klassischen Druckerei und einer Onlinedruckerei gegenübergestellt, würde man feststellen, dass es hier kein gegeneinander, also auch keinen in diesem Sinne überlebenden Gewinner gibt. Die Geschäftsmodelle online – offline ergänzen sich im Prinzip.
Allerdings auch erst dann, wenn es eine Marktkonsolidierung und -bereinigung gegeben hat. In dieser Phase befinden wir uns gerade. Ein Imbiss kann durchaus auch eine Koexistenz mit der Fast-Food-Filiale nebenan führen. Meine Lieblingsbäckerei, die täglich mein belegtes Spezialbrötchen für mich bereithält, kann letztlich neben der industriellen Brötchenback-Kette bestehen, wenn das Überangebot in meinem Stadtteil bereinigt ist. Das aber ist die Voraussetzung.
Im Übrigen gehe ich davon aus, dass es auch im Wettbewerb der Onlinedruckereien untereinander früher oder später zu einer Marktbereinigung kommen wird. Entscheidend für das Marketing auf beiden Seiten ist, dass auch das drin ist, was draufsteht.

Sie gelten als Experte für Marketing & Consulting in der Druckindustrie. Wie sieht der typische Kundenauftrag bei Ihnen aus?

Stephan A. Göbeler:

An erster Stelle stehen immer der „Check-up“, die Bestandsaufnahmeder vorhandenen Komponenten und bisher erzielten Ergebnisse. Dazu kann die Analyse von eingesetzten Softwaresystemen, wie auch die Kunden- oder Angebots- und Auftragsanalyse, sowie der Marketingaktivitäten gehören. Vielfach fehlt in den Betrieben die Übersicht über das Zusammenspiel der einzelnen Module und damit auch die wirtschaftliche Kontrolle. Die Analyseergebnisse werden dann strukturiert dokumentiert, um den Istzustand zu definieren.

In einem gemeinsamen Workshop mit der Geschäftsleitung und idealerweise mit einigen ausgewählten Mitarbeitern wird dann das Thema „Troubleshooting“, also wo gibt es grundsätzliche Probleme, dokumentiert und dem Istzustand gegenübergestellt. Anschließend erfolgt die Erstellung des „Wo-wollen-wir-hin“-Konzepts, als strategische Definition des Sollzustandes. Durch den Abgleich des Istzustands mit dem Sollzustand ergibt sich ein relativ eindeutiger Maßnahmekatalog.

Dieser wir im „Matching“ und „Benchmarking“ dann den am Markt vorhandenen Möglichkeiten gegenübergestellt und mit diesen verglichen. Der Abgleich ermöglicht eine genaue Planung der strategisch einzusetzenden vorhandenen oder neuen Komponenten im Software- und Marketingbereich. Auf Wunsch übernehme ich dann auch das Projektmanagement der Implementierung sowie zur Kontrolle der Durchführung der Maßnahmen und die Erfolgskontrolle.

Der permanente Wandel in der Medienlandschaft ist bekannt. Welche Problemstellungen ergeben sich daraus für Sie und Ihre Kunden?

Stephan A. Göbeler:

Als Berater spricht man ja lieber von „Herausforderungen“ als von „Problemen“. Wie auch immer man das Kind nennt, die größte Herausforderung ist das langfristige Durchhaltevermögen in Bezug auf eine geplante nachhaltige Strategie. Es ist vermeintlich einfacher, das strategische Heil kurzfristig in der Investition in neue Technik zu suchen. Als Druckerei fühlt man sich dort sicher. Eine trügerische Sicherheit. Denn wenn es dann einen solchen Paradigmenwechsel gibt, wie er nicht zuletzt durch Bill Gates Visionen ausgelöst wurde, dann können die vermeintlich sichere und neue Technik und die daraus resultierenden Produkte sehr schnell veraltet sein. Das Kapital aber ist gebunden und der Teufelskreis beginnt, sich zu drehen.

Es ist demnach schwierig, globale Marktveränderungen von vornherein in einer Strategie zu berücksichtigen, um im Sinne von „Technology follows Strategy“ die richtigen Investitionsentscheidungen zu treffen. Andererseits, wir sind durch die letzten Jahre vorgewarnt, wie massiv und tief greifend Wandel in der Medienlandschaft sein kann. Daraus kann man wiederum Schlüsse für die zukünftige Strategiefindung ziehen.

Jedes Jahr "wächst" eine neue Generation von neuen Drucksacheneinkäufern nach. Ihre Meinung: Sind die meisten Druckereien heute dort, wo ihre zukünftigen Kunden schon sind?

Stephan A. Göbeler:

Das hängt in erster Linie natürlich davon ab, ob es aufseiten der Drucksachenverkäufer eine kompatible Generation gibt. Wenn die Druckereien bei Ihren Kunden hinhören und gelernt haben Ihre Kunden zu verstehen, dann sollten Sie eigentlich genau dort sein, wo die Drucksacheneinkäufer Sie suchen.

Bei Onlinedruckereien ist es provokativ gesagt sogar umgekehrt. Diese haben Ihre Kunden dort, wo sie haben wollen. Die Portale sind so konzipiert, dass Sie in erster Linie dem Geschäftsmodell Onlineprint dienen. Natürlich profitiert auch der Drucksacheneinkäufer davon.

Im klassischen Offlinegeschäft finden wir noch viel stärker einen Käufermarkt vor, d.h., die Drucksacheneinkäufer geben den Ton an. Und hier ist es in der Tat vielfach so, dass Druckereien noch nicht ausreichend auf die neuen Generationen Einkäufer eingestellt sind. Da noch zu viele klassische Druckereien mit den Web 2.0 – affinen Onlinedruckereien vergleichbar sind, werden sie seitens der Drucksacheneinkäufer ausgehebelt. Insbesondere dann, wenn es um den reinen Preisvergleich von austauschbaren und daher qualitativ vergleichbaren Druckprodukten geht.

Hier schließt sich der Kreis wieder mit dem fehlenden, weil nicht wirtschaftlichen, Unternehmensdialog mit dem Kunden über alle Marketing-Kanäle, in denen Printbuyer neuerer Generationen für Argumente, die über den Preis hinausgehen empfänglich sind.

Vielen Dank für das Interview Herr Göbeler!