Ziko Jovic

Ziko Jovic

Jovic Consult
Inhaber


Unternehmen müssen mit Bewerbern genauso umgehen, wie mit Kunden. Ziko Jovic

Kleine und mittlere Unternehmen haben ein Problem. Auf der Suche nach geeigneten Bewerbern, für freie Positionen, tun sie sich schwer. Acht von zehn Kandidaten entsprechen oftmals noch nicht einmal ansatzweise dem Anforderungsprofil einer Stellenbeschreibung. So geht Zeit verloren. Und: kommt es überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch, so verläuft dies unbefriedigend - für beide Seiten. „Das muss so nicht sein“, sagt Ziko Jovic. Er ist Unternehmens- und Personalberater und zeigt Unternehmen, wie man es besser machen kann. Denn längst ist nicht immer ist der Fachkräftemangel in Deutschland die Ursache. Wer erkannt hat, dass auch Unternehmen sich für Ihre Wunschkandidaten attraktiv machen müssen, ist meist schon mal auf dem richtigen Weg. Wie das in der Praxis aussehen kann, erfahren Sie in diesem Interview.

Herr Jovic, haben wir einen Fachkräftemangel in Deutschland und wenn ja, woraus resultiert dieser - mit welchen Folgen?

Ziko Jovic:

Nun ja, jede Medaille hat bekanntlich zwei Seiten!

Was mit Sicherheit zutrifft, ist, dass es in Deutschland einen abnehmenden Bewerbermarkt gibt. Diese Entwicklung werden vielen Unternehmen, besonders die KMUs, in Zukunft noch viel stärker zu spüren bekommen, als das momentan der Fall ist.

Bis zum Jahr 2020 werden in Deutschland ca. 2,5 Mio. Fachkräfte fehlen, bis zum Jahr 2030 könnten es sogar insgesamt 5,0 – 6,0 Mio. Fachkräfte sein (gem. Statistisches Bundesamt). Die Gründe sind sehr vielfältig: abnehmende Geburtenzahlen, längere Ausbildungs- und Studienzeiten, drastischer Anstieg der Bezieher von Altersruherenten, um nur einige zu nennen.

Gleichwohl wachsen Generationen von Bewerbern heran, die ganz eigene Vorstellungen vom Berufsleben und dem zukünftigen Arbeitgeber haben. Sie sehen Arbeit nicht als Pflicht an. Traditionen, wie z. B. eine lange Unternehmenszugehörigkeit bzw. Arbeitgeberloyalität, verlieren an Bedeutung und Einfluss.

Die Balance zwischen Beruf und Freizeit spielt eine sehr große Rolle. Selbstverwirklichung, auch im Berufsleben, ist diesen Generationen viel wichtiger als das Streben nach Karriere. Gleichwohl ist diesen Generationen wichtig, bei Unternehmen zu arbeiten, die ein gutes und sympathisches Arbeitgeberimage haben.

Wirft man einen Blick auf die Unternehmen, so sind zwei Trends erkennbar. Die großen Konzerne haben sich längst auf den Bewerbermangel eingestellt. Sie gehen mit modernen Mitteln und Strategien auf die „Jagd“ nach guten Bewerbern / Young Professionals und versuchen diese rechtzeitig für das eigene Unternehmen zu begeistern.

Dagegen agieren viele KMUs leider immer noch sehr passiv und ineffizient, wenn es um Personalrekrutierung und Mitarbeiterbindung geht. Sie agieren viel zu behäbig und „vermarkten“ sich als Arbeitgeber nicht gut genug. Hinzukommt, dass vorhandene Bewerberpotenziale nicht optimal ausgeschöpft werden.

Um nun auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich glaube schon, dass wir in bestimmten Branchen auf bestimmten Positionen in der Spitze einen Fachkräftemangel haben! Der Mangel an Bewerbern und Fachkräften ist aber in der Breite nicht so ausgeprägt, wie man vermuten würde. In vielen Branchen ist das Problem eher hausgemacht.

Alles nach Schema F, oder haben sich viele KMUs auf die derzeitigen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt bereits eingestellt?

Ziko Jovic:

Auf die derzeitigen und zukünftigen Verhältnisse sind nur wenige KMUs umfassend eingestellt. Bei zu vielen KMUs bekomme ich Sätze zu hören wie „Das haben wir früher immer so gemacht und haben unsere Stellen besetzen können. Das wird auch in Zukunft irgendwie klappen.“ oder „Unsere Mitarbeiter wissen, wie gut sie es bei uns haben.“

Natürlich kann man so vorgehen und hoffen – die Frage ist, ob man die einzelnen Personalprozesse nicht effizienter gestalten kann. Was aus betriebswirtschaftlicher Sicht häufig verkannt wird: das Arbeitgeberimage beeinflusst die Arbeitsmotivation und im Endeffekt die Arbeitsproduktivität der Mitarbeiter.

Diese wirkt sich unweigerlich auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens aus. Wenn Mitarbeiter motiviert und zufrieden sind entsprechend positiv – oder eben negativ, wenn die Mitarbeiter zu wenig motiviert und unzufrieden sind.

Wie sieht für Sie die ideale Stellenbeschreibung aus und welche Fehler gilt es dabei zu vermeiden?

Ziko Jovic:

DER Fehler, den es gilt unbedingt zu vermeiden, ist, gar keine Stellenbeschreibung zu haben. Das war bei vielen KMUs, die wir beraten haben, feststellbar. Ist keine Stellenbeschreibung vorhanden, so wirkt sich das negativ auf die internen Arbeitsprozesse aus. Man muss viel zu häufig nachfragen, sich OKs einholen oder geht das Risiko ein, Kompetenzen zu überschreiten. Eine ineffiziente Arbeitsstruktur ist die Folge.

Damit aber ein (potenzieller) Mitarbeiter genau weiß, was sein Aufgabenbereich ist, welche Kompetenzen er hat, was er darf und nicht darf, sollte für jede Position im Unternehmen eine Stellenbeschreibung vorzufinden sein.

Eine ideale Stellenbeschreibung sollte genau Auskunft darüber geben, was der Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwortungsbereich des Stelleninhabers ist. Außerdem sollte sie Informationen darüber beinhalten, wem der Stelleninhaber selbst unterstellt ist und welche Personen, Teams oder Abteilungen dem Stelleninhaber unterstellt sind. Auch auf die Frage der eigenen Stellvertretung, z. B. im Krankheits- oder Urlaubsfall, sollte eine Stellenbeschreibung Antworten liefern.

Welche Vorstellungen haben Unternehmen meist von neuen Mitarbeitern?

Ziko Jovic:

Bei dieser Frage sind wir wieder beim „angeblichen Fachkräfte- und Bewerbermangel“. Schaut man sich z. B. Stellenanzeigen von Unternehmen an, so wird sehr häufig die „eierlegende Wollmilchsau“ gesucht.

Das soll heißen, dass Unternehmen nur Bewerber akzeptieren, die 100% auf das gesuchte Profil passen. Die Aufzählungen der „must have – Faktoren“, also der Faktoren, die ein Bewerber unbedingt erfüllen muß, fällt viel länger aus, als die „nice to have – Faktoren“. Das erschwert die Stellenbesetzung ungemein.

Quer- oder Seiteneinsteiger werden z. B. von vielen Unternehmen nicht akzeptiert, dabei gibt gerade dieser Arbeitsmarkt viel Bewerberpotenzial her. Solchen Bewerbern muss man aber auch Zeit geben, sich in der neuen Branche zurecht zu finden, diese Zeit wollen viele KMUs den Bewerbern aber nicht einräumen.

Die andere Perspektive. Auch Bewerber haben Wünsche und Ansprüche an einen neuen Arbeitgeber. Welche sind das?

Ziko Jovic:

Bewerber wollen vor allem eins: als Bewerber ernst genommen werden – und das während des gesamten Bewerbungsprozesses. Also vom Bewerbungseingang über das Vorstellungsgespräch bis hin zur Vertragsunterzeichnung und darüber hinaus. Unternehmen müssen ihre Bewerbungsprozesse bzw. Kontaktpunkte „kundenorientiert“ gestalten – also auch Bewerber nicht als Bittsteller, sondern als Kunden sehen.

Warum? Weil Bewerber auch Multiplikatoren sind. Sie tauschen sich über ihre Bewerbungserfahrungen genauso aus, wie über Produkte oder Dienstleistungen. Jeder zweite nutzt Online-Plattformen um über Bewerbungserfahrungen zu berichten. Schlechte Bewerbungsverfahren können das Image eines Unternehmens nachhaltig schädigen.

Welcher Aufgabenstellung begegnen Sie oft, wenn Unternehmen Sie um Ihre Hilfe bitten. Ein Beispiel aus der Praxis bitte.

Ziko Jovic:

Bevor sich ein Unternehmen der Thematik des Personalmarketings annimmt, ist es zunächst notwendig festzustellen, was der eigene EVP (Employer Value Proposition), also das Arbeitgeberversprechen ist? Das ist sozusagen das Alleinstellungsmerkmal als Arbeitgeber, also wofür das Unternehmen steht und was es einzigartig macht.

Die Ausarbeitung eines EVPs hat sehr viel mit den Stärken aber auch Schwächen des eigenen Unternehmens zu tun. Aus dem EVP bilden wir zusammen mit den Unternehmen ein Arbeitgeberclaim.

Viele KMUs haben gar keine klar definierte und kommunizierte Arbeitgebermarke bzw. Arbeitgeberclaim. Das ist aber DAS Identifikationsmerkmal, wenn ein Unternehmen seine Vorzüge als Arbeitgeber kommunizieren möchte.

Im weiteren Verlauf analysieren wir dann sämtliche Bewerberkontaktpunkte nach Gesichtspunkten der Kundenorientierung. Ob z.B. die Unternehmenswebseite, die typische Stellenanzeige, der schriftliche Kontakt, das Vorstellungsgespräch, das On-Boarding-Verfahren oder die Recruitingmesse – alle diese Kontaktpunkte üben direkten Einfluss auf die Arbeitgebermarke aus.

Ist da nicht viel Umdenken in der Geschäftsleitung erforderlich um zu erkennen, dass gerade auch KMUs sich heute um Ihre Wunschkandidaten bewerben müssen?

Ziko Jovic:

Auf jeden Fall. Hier kann ich mich nur wiederholen – KMUs müssen Bewerber wie potenzielle Kunden sehen, und sie so behandeln. Sie sollten Bewerber während des Bewerbungsprozesses umgarnen und alles dafür tun, um die einzelnen Schritte des eigenen Bewerbungsprozesses in seiner Gesamtheit so „kundenorientiert“ wie möglich zu gestalten.

Das ist aber leider immer noch die Ausnahme als die Regel, wie aktuelle Studien der sog. „Candidate Experience“ belegen. Da wurden Bewerber nach ihrer Zufriedenheit mit den Bewerbungsprozessen befragt – nur 43% der Bewerber waren von den Erlebnissen mit den Unternehmen überzeugt. Da ist noch sehr viel Luft nach oben.

Geht es bei Personalentscheidungen um mehr als den Abgleich von möglichst viel übereinstimmenden Punkten?

Ziko Jovic:

Ja, denn mit Personalentscheidungen sind auch Kosten verbunden. Und falsch eingestelltes und demotiviertes Personal kann viel Geld kosten.

Betrachtet man Personalentscheidungen betriebswirtschaftlich nach Kostengesichtspunkten, dann wird das nochmal deutlich. Untersuchungen haben ergeben, dass ein falsch eingestellter Mitarbeiter durchschnittlich 50.000,00 Euro kostet.

Damit ist nicht nur das Gehalt des neuen Mitarbeiters gemeint, sondern auch Rekrutierungs- und Stellenauswahlkosten, Kosten für die Einarbeitung, aber auch Kosten für entgangene Aufträge durch demotivierte Mitarbeiter bei einer Stellenfehlbesetzung.

Sehen Sie Ihre primären Funktionen als Filter, Vermittler, in der Personalgewinnung ...?

Ziko Jovic:

Lassen Sie es mich so ausdrücken: wir versuchen Unternehmen dafür zu sensibilisieren, auch mit Mitarbeitern, ob nun potenziellen oder langjährig beschäftigten, genauso umzugehen wie mit Kunden.

Das, was im Kundenmanagement der Kundenlebenszyklus ist, versuchen wir auf das Personalmanagement zu übertragen. Je länger eine Personalbeziehung andauert, umso produktiver ist sie für das Unternehmen. Bei diesen Beratungsprozessen sehe mich als beratender Umsetzer.

Ihre Empfehlung bitte. Wie können Unternehmen mehrheitlich schon mal alles richtig machen, um wirklich ihre Wunschkandidaten schnell zu finden?

Ziko Jovic:

Zuerst müssen Sie das Rad nicht neu erfinden, sie sollten sich gewissen Trends und Entwicklungen im Recruiting und Personalmanagement aber nicht verschließen. Ob nun Karriereseite, Karriereblog, Facebook-Auftritt oder YouTube-Kanal – die Zielgruppe sollte da abgeholt werden, wo sie sich befindet. Gleichzeitig muss die Außenkommunikation auch zum Unternehmen passen.

 

Sie müssen Bewerber auf emotionaler Ebene ansprechen – denn 90 % unserer Entscheidungen sind emotional geprägt. Die meisten Recruitingmaßnahmen werden aber eher auf rationaler Art kommuniziert. Das kann per se schon zu Missverständnissen führen.

 

Gleichzeitig ist eines wichtig – was von Unternehmen im Rahmen der Außenkommunikation versprochen wird, muss auch hinterher eingehalten werden. Jobversprechen und Jobrealität müssen identisch sein. Nichts ist schlimmer als Unternehmen, die beim Bewerber falsche Erwartungen wecken, welche sich hinterher aber nicht bestätigen. Übrigens, 90 % aller neu eingestellten Mitarbeiter kündigen innerlich bereits innerhalb der ersten Wochen – weil die geweckten Joberwartungen nicht erfüllt wurden.

 

Zu guter Letzt: Wunsch-Kandidaten wollen nicht suchen, sie wollen gefunden werden. D. h. Unternehmen müssen raus aus der eigenen Komfortzone und auf Bewerber die sie haben wollen, auch aktiv zugehen. Ob nun auf Messen, im Rahmen von Schul- oder Unikooperationen bis hin zum Active Sourcing, also der aktiven Ansprache über Karriereportale wie Xing oder LinkedIn.

Das Potenzial ist da – ABER: Unternehmen müssen mit Bewerbern genauso umgehen, wie mit Kunden. Sie werden es sonst zukünftig schwer haben, gute Mitarbeiter für sich zu gewinnen!

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Vielen Dank für das Interview Herr Jovic!