Dieter Winkler

Dieter Winkler

mc² mittelstand consult
Inhaber/Geschäftsführer


Jedes Ding hat drei Seiten: Eine, die du siehst, eine, die ich sehe und eine, die wir beide nicht sehen.Chinesische Weisheit

Wertschätzung ist ein Wettbewerbsvorteil! - Es ist höchste Zeit für richtig verstandene und gelebte Wertschätzung in den Unternehmen! Gestik, Mimik, Körperhaltung und natürlich die Sprache. Der Mensch verfügt über ein breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten. So auch beim Thema Wertschätzung. Doch kennen Sie auch die Werte Ihrer Mitarbeiter oder Ihrer Kollegen? Wissen Sie als Chef, welche Werte, welche Sprache Ihren Mitarbeitern besonders wichtig ist? Für fast jeden Menschen sind Gerechtigkeit, Respekt, Anerkennung und Wertschätzung sehr wichtige Faktoren, um zufrieden, leistungsbereit und kreativ im Job zu sein. Fehlen diese, machen sich Unzufriedenheit und Frust breit. Wertschätzung hat dabei nichts mit Lob oder gar übertriebener Lobhudelei zu tun. Über diese und andere, Wertschätzungsfallen spricht Dieter Winkler in diesem Interview. Zusammen mit seinen Partnern, hilft er Unternehmen dabei, Wertschätzung anders zu verstehen, eine wertschätzende Haltung zu entwickeln und durch die dabei entstehende Führungskultur das Betriebsergebnis positiv zu beeinflussen. Wertschätzung als Erfolgsfaktor des Unternehmens, sozusagen. Folgende Definition von Wertschätzung bietet Dieter Winkler dabei an: Wertschätzung ist eine positive innere Einstellung zu einem anderen Menschen, unabhängig von seinem Verhalten.

Herr Winkler, Sie sind Jahrgang 1952 und sind mit mc² mittelstand consult und Ihrem Partner, Hans Habegger, noch einmal neu durchgestartet. Warum tun Sie heute was Sie tun?

Dieter Winkler:

Ich bin seit 30 Jahren in der Personalentwicklung tätig und habe, ähnlich wie Maler oder Bildhauer, nie über Rückzug nachgedacht. Nein, die Freude an der Zusammenarbeit mit Menschen ist ungebrochen. Dabei zu unterstützen, Potenziale in sich zu finden („freilegen, ent-wickeln“), um nicht nur in schwierigen Situationen neue Handlungsoptionen zu entdecken, erfüllt mich immer wieder voll und ganz.

Der Neustart mit mc² mittelstand consult ist sicher auch motiviert durch die Lust darauf, etwas Neues zu wagen, wieder mal etwas von vorne zu beginnen und aufzubauen und dabei meine langjährigen Erfahrungen einzubringen. Und den Spaß daran mit meinem Partner zu teilen. Zwei alte Knacker sozusagen, die den Mut haben, wertschätzend unbequem zu sein, das Problem hinter dem Problem zu erfragen und so zu größerer Effektivität beizutragen.

Sie bezeichnen sich selbst als Pfadfinder und Wegbegleiter. Wie möchten Sie diese Rolle verstanden wissen?

Dieter Winkler:

Vor allem NICHT rezeptartig, nicht mit DER ERFOLGSMETHODE (die es im Übrigen gar nicht gibt). Mein Rollenverständnis ist vor allem dadurch gekennzeichnet, als Begleiter auf den jeweiligen individuellen Kontext zu achten mit der Doktrin „die Interventions-Methoden müssen zu den Menschen passen und nicht umgekehrt“. Insofern liefern wir „Landkarten“, machen Angebote und stellen auch wertschätzend provokativ „gewohntes Denken und Handeln“ in Frage. Das ist manchmal unbequem, getreu unserem Firmenleitsatz: „Wer Veränderungen will, braucht den Mut zur Unbequemlichkeit“. Wir kommen nicht als weise Trainer, die Menschen darauf dressieren bestimmte Verhaltensweisen zu zeigen. Was wir stattdessen tun ist unseren Gegenüber darin zu stärken, die in ihm liegenden Potenziale zur Veränderung und Lösung zu entdecken und zu ent-wickeln.

Werte sind wichtig, sagen Sie und möchten für das Thema „Wertschätzung“ in der Wirtschaft mehr Bewusstsein wecken. Warum?

Dieter Winkler:

Wertschätzung ist ein existentielles Grundbedürfnis des Menschen in der privaten wie auch in der beruflichen Rolle. Dieses Bedürfnis geben wir ja nicht „an der Pforte“ ab, wenn wir zur Arbeit gehen. Erst, wenn dieses Bedürfnis befriedigt ist, verfügen wir in vollem Umfang über unsere sozialen und kreativen Potenziale.

Wir alle wünschen uns, wertgeschätzt zu werden, gleichzeitig klagen (zu) viele über fehlende Wertschätzung. Das zeigt die jährlich durchgeführte Gallupstudie (http://www.gallup.com/de-de/181871/engagement-index-deutschland.aspx), die sich mit dem Mitarbeiterengagement in Unternehmen beschäftigt, nun über viele Jahre. Ohne signifikante Veränderung.

Fehlende Wertschätzung wird als Hauptgrund für Demotivation und fehlendes Engagement genannt. Was aber fehlendes Engagement die Unternehmen an Geld kostet ist nur zu erahnen und in der Bilanz nicht sichtbar. Auf eine Formel gebracht: mit mehr Wertschätzung mehr Wertschöpfung. Ich teile da gerne die folgende These: Wertschätzung wird über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen mit entscheiden.

Geht es darum bestehende Hierarchien, in einem Unternehmen, durch ein „Kuschelklima“ zu ersetzen?

Dieter Winkler:

Mit Verlaub lieber Herr Wenderoth: nun sind Sie der beklagenswerten Diskussion um Wertschätzung auf den Leim gegangen. Nein, eben genau darum geht es nicht. Das ist eines der großen Missverständnisse, wenn heute inflationär von Mangel an Wertschätzung gesprochen wird und das häufig im Zusammenhang mit Lob.

Lassen Sie mich es einmal provokativ sagen: Keine Gnade mehr mit denen, die nicht genauer hingesehen haben und doch über Wertschätzung reden! Die hat nämlich mit „Kuschelklima“ so viel zu tun wie der Verstand mit stehen.

Es geht darum notwendige Hierarchien klar und effektiv (vor) zu leben. Dies geht mit wertschätzender Haltung, mit der Fähigkeit und dem Wissen, zwischen Sein und Verhalten beim Menschen zu unterscheiden, mit der Bereitschaft zu Feedback, mit Rollenklarheit und nicht zuletzt mit dem Mut zur Unbequemlichkeit.

Was passiert mit Mitarbeitern, denen auf Dauer Respekt und Anerkennung vorenthalten werden? Sind Bonuszahlungen nicht ausreichend?

Dieter Winkler:

Ganz einfach und nachvollziehbar: Sie machen Dienst nach Vorschrift oder sie haben innerlich gekündigt. In jedem Fall haben sie wenig bis gar keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen und richten im schlechtesten Fall ihre Potenziale und ihre volle Leistungskraft auf Projekte im privaten Umfeld. So steigen Fluktuationsrate und/oder Krankentage (insbesondere psychische Störungen, Stichwort „Burnout“) und Mitarbeiter sind nicht mehr Markenbotschafter ihres Unternehmens.

Mit Ihrer Frage „sind Bonuszahlungen nicht ausreichend?“ blasen Sie in das Horn vieler, die den Glaubenssatz haben – „Mitarbeiter werden schließlich bezahlt, da kann ich auch volles Engagement erwarten“-. Weit gefehlt meine ich und wert, in Frage gestellt zu werden. Lassen Sie mich dazu etwas plakativ und polemisch werden: Wenn also Bezahlung automatisch permanent hohes Engagement zur Folge hat, müssten viele Fußballer ganz anders rennen.

Zudem will ich auf den Unterschied zwischen Respekt und Anerkennung hinweisen; Anerkennung bezieht sich auf eine konkrete Leistung, ein erzieltes Ergebnis, eine Fähigkeit. Respekt einem Menschen gegenüber ist dagegen eine innere Haltung, die davon unabhängig ist und die Person selbst betrifft. Die eben ganz besonders gefragt ist, wenn die Leistung, das Ergebnis nicht erreicht wurde.

Gerade in solchen Situationen brauchen wir Wertschätzung (nochmal: Wertschätzung ist etwas anders als Lob!).
Der Imperativ für die Führungskräfte lautet also nicht:
„Lobe bei nicht Erreichen der Ziele, dann bist Du wertschätzend.“ Ein fatales Missverständnis.

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Wertschätzung ist eingleisig, behaupten Sie. Wie kann sie dann überhaupt funktionieren?

Dieter Winkler:

Ich meine, Herr Wenderoth, in Ihrer Fragestellung steckt ein Irrtum, den ich gerne aufdecken will. Dazu muss ich ein bisschen ausholen:
Neben Wertschätzung als existentiellem Bedürfnis gibt es weitere Werte und damit verbundene Verhaltensweisen, die seit Menschengeschichte dazu dienen, unsere Überlebensfähigkeit zu sichern, zu optimieren.

Einer dieser Werte ist die „Reziprozität“. Gemeint ist damit, dass wir Ressourcen miteinander teilen im Sinne „wenn Du mir etwas gibst, gebe ich Dir auch von mir“. Reziprozität gilt auch für Immaterielles (wie z.B. Gastfreundschaft, Gesten, Gefallen,…etc.). „Wie Du mir, so ich Dir“ lautet das Sprichwort, das wir dazu alle kennen.

Geben ist  also in diesem Sinne zweckgebunden und funktioniert nach dem Werte-Prinzip der Reziprozität. Sozusagen Vorleistungen mit Verpflichtungscharakter für den Anderen. Dazu gehört, das wir mit dem Geben nach einiger Zeit aufhören, wenn wir nichts zurückbekommen.

Echte Wertschätzung hat keine Funktion, keinen Zweck, sie funktioniert nicht (so). Echte Wertschätzung ist einseitig, also unabhängig davon, ob der Andere mich auch wertschätzt. Und auch unabhängig davon, ob sie beim Gegenüber auch so ankommt wie sie gemeint war, trotz aller Bemühungen und guten Absichten. Sie  bezieht sich nach obiger Definition auf den Menschen gegenüber, nicht auf sein Verhalten.

Wertschätzung kann also nicht mit dem „Maßstab der Reziprozität“ gemessen werden. Sie wäre sonst ein manipulatives Mittel. Darin liegt meiner Meinung nach ein Irrtum und ebenso eine Falle. Warum eine Falle? Nun, Wertschätzung ist besonders dann wichtig, wenn etwas nicht so läuft, wie es  erwartet wird: Ziele nicht erreicht, Leistung nicht erbracht, Ergebnisse nicht erzielt, Fehler gemacht.

Genau in diesen Fällen aber zeigen wir demjenigen gegenüber wegen des erwähnten Prinzips der Reziprozität typischerweise keine Wertschätzung. Wir empfinden es stattdessen „normal“, uns in diesen Situationen abwertend zu verhalten oder abwertend behandelt zu werden. Das macht es zu einer besonderen Herausforderung Wertschätzung (vor) zu leben und bedarf großer persönlicher Reife.

Stichwort „emotionale Bindung“. Sind Menschen die sich ernst genommen fühlen loyaler zu ihren Arbeitgebern? Handeln sie verantwortungsvoller?

Dieter Winkler:

Eindeutig ja. Denken Sie bitte einmal zurück: Opelaner, Siemensianer, Nixdorfler, Kruppianer. Mitarbeiter, die ihr Unternehmen als zweite Familie betrachteten und zu ihrem Unternehmen standen. Schauen wir uns einmal ein paar Kennzahlen heute an (aus der Gallup Studie 2013). Mitarbeiter mit hoher emotionaler Bindung im Vergleich zu Mitarbeitern mit geringer bis gar keiner emotionalen Bindung (als Konsequenz fehlender Wertschätzung): „Krankentage“: 4,1 zu 7,2 Tage im Jahr, „Markenbotschafter für das Unternehmen“: 86% zu 14%. Sozusagen eine große Kapitalreserve.

Nur wenn Mitarbeiter sich wertgeschätzt fühlen, steigt die emotionale Bindung an das Unternehmen mit allen Folgen für Effektivität, Zielerreichung, Loyalität und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Dagegen hat fehlende emotionale Bindung schlicht zur Folge, dass wir nur eingeschränkt auf unsere Potenziale Zugriff haben. Die Neurobiologie beschreibt die dazugehörigen Prozesse mittlerweile sehr detailliert.

Sicher muss ein Unternehmen anhand von Zahlen/Ergebnissen gesteuert werden. Es gehört aber in den Bereich drastischer Fehlentwicklungen, wenn Mitarbeiter und deren Wohlergehen, mithin ihre Identifikation mit dem Unternehmen, keine Rolle mehr spielen. Der „Loyalitätsindex“ ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Stärkung der emotionalen Bindung ist im Kern Aufgabe der Führung. Loyalität und Verantwortungsübernahme fallen nicht vom Himmel, sondern hängen entscheidend davon ab, wie die Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern umgehen. Führungskräfte sollten den geringen Anteil ihrer emotional gebundenen Mitarbeiter ernst nehmen. Die Installation eines CHO (Corporate Happiness Officer) auf Vorstands- /Geschäftsführerebene, ein aktueller Trend, der gerade offensichtlich auch nach Deutschland schwappt, ändert daran nichts.

Ihre rhetorische Frage: „Wie entlasse ich Mitarbeiter wertschätzend?“, klingt erst einmal recht provokativ. Wie möchten Sie diese verstanden wissen?

Dieter Winkler:

Nun, eben überhaupt nicht provokativ und auch nicht als rhetorische Frage, sondern als Herausforderung für echte Wertschätzung – „auf den Punkt gebracht“.  Hier geht es um die Haltung und die (kommunikative) Fähigkeit „Sein“ von „Verhalten“ zu unterscheiden. Das ist nämlich nicht dasselbe, was ich gerne erläutere:

Vielleicht erinnern Sie sich an die Situation aus Ihrer Kindheit, bei der Sie als Kind am Tisch Ihr Glas Kakao umgestoßen haben und so für ein kleines Malheur gesorgt haben. Vermutlich haben Ihre Eltern reagiert mit: „Du bist ein Tollpatsch“ oder „Du Schussel Du“.  Das ist sprachlich von großer Bedeutung. Hier wird ein Seins-Merkmal benannt, die Bemerkung zielt aber auf die Veränderung des Verhaltens (sprachlich etwa so: „Mein Junge, gerade hast Du Dich aber schusselig verhalten“).

Wenn Sie nun in Ihre bisherige Lebenserfahrung einmal genauer anschauen, werden sie feststellen, dass in vielen Fällen Ihr spezifisches Verhalten ganz schnell zum Wesensmerkmal generalisiert wurde. Im positiven Fall freut Sie das, im negativen Fall fühlen Sie sich schlecht, ungerecht und nicht wertschätzend behandelt. Da es sich allerdings um ein in frühester Kindheit erlerntes Denk- und Sprechmuster  handelt, ist dies den meisten Menschen nicht bewusst. Verstärkt durch die eigentlich positive Absicht, die der Sprechende dabei ja verfolgt.

Der griechische Philosoph Seneca hat den Unterschied zwischen Sein und Verhalten treffend formuliert:
„Der gute Richter verurteilt die Tat, nicht den Täter“

Es ist naheliegend, dass in der Situation eines Trennungsgesprächs mit dem Anspruch der Wertschätzung diesem Aspekt eine zentrale Bedeutung zukommt. Der Mitarbeiter wird meistens nicht entlassen, weil er ein schlechter Mensch ist, sondern weil die Qualifikation nicht ausreichte, um die zugeordneten Aufgaben im Sinne des Unternehmens zu erfüllen, Ergebnisse und Ziele nicht erreicht wurden, Erwartungen an Verhalten nicht erfüllt wurden, …etc.. Die Person ist OK, Ergebnisse und Verhalten sind nicht OK. Dies zu trennen gelingt nur mit einer uneingeschränkten positiven Grundhaltung und einem hohen sprachlichen Vermögen.
Gleichwohl ist in dieser Krisensituation zu vermuten, dass, trotz bestem Können und Wollen der Führungskraft, der Mitarbeiter dies nicht als Wertschätzung empfinden wird. Er wird also nicht wertschätzend auf seine Entlassung reagieren. Er verliert ja seinen Job, hat  (möglicherweise existentielle) Ängste vor der Veränderung und vieles mehr. Wie wird also wohl der Mitarbeiter das Trennungsgespräch bewerten…?
Gleichzeitig wird die Führungskraft sich vielleicht „unfähig“ fühlen, dem Gegenüber das zu geben, was er braucht und fordert. Das zeigt das  (nicht aufzulösende) Dilemma mit der Wertschätzung.

Haben Sie ein Beispiel für ein Unternehmen, in dem Wertschätzung auf allen Ebenen praktiziert wird? Und dies mit welchem Erfolg?

Dieter Winkler:

Auch diese Frage, lieber Herr Wenderoth, berührt aus unserer Sicht im Kern ein Missverständnis zum Thema Wertschätzung, eine weitere Wertschätzungsfalle, wenn Sie so wollen.

 

Wertschätzung, ebenso wie Liebe, ist eine innere Haltung gegenüber Menschen, die nicht zwangsläufig im Verhalten, sozusagen in praktizierender Weise,  sichtbar werden.
Insofern führt Ihre Frage in die Irre.

Sie zeigt das Dilemma mit der Wertschätzung. Ob das Verhalten einer wertschätzenden Person von anderen auch als wertschätzend wahrgenommen bzw. bewertet wird, hängt vom Bezugsrahmen dieser Personen, anders gesagt, von deren innerer Haltung ab.  Jeder von uns hat eine eigene „Sprache“ entwickelt, wie er Wertschätzung ausdrückt und wie er Wertschätzung gezeigt bekommen möchte, wahrnimmt. Insofern können wir nicht sicher sein, ob wir die gleiche Sprache sprechen.

 

Selbst wenn in einem Unternehmen alles positiv läuft, werden die Mitarbeiter nicht permanent auf allen Ebenen Verhalten von Führungskräften wahrnehmen, das sie als wertschätzend bewerten werden. Sowie etwas nicht so läuft wie es soll – und das ist häufig unternehmerische Realität – wird Kritik vielfach, auf Basis individuelle Prägungen, eben nicht als wertschätzend wahrgenommen.

 

Auch wenn in fast allen Unternehmen Wertschätzung plakativ zur Unternehmenskultur gehört

sind das Praktizieren von Wertschätzung und dazugehörige Erfolgsmessungen aus unserer Sicht verständliche, aber in die Falle führende Erwartungen. Es wäre sonst keine echte Wertschätzung sondern Manipulation pur. Es gibt andererseits eine „Sprache der Wertschätzung“. Die aber wirkt inauthentisch und manipulativ, wenn sie nicht auf innerer wertschätzender Haltung basiert.

 

Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Nehmen wir einmal an, jemand hätte die Idee, das Thema Wertschätzung in die Performance Evaluation von Führungskräften zu integrieren. Viele Führungskräfte würden dann (unbewusst) aus Angst davor, der Mitarbeiter könne fehlende Wertschätzung beklagen, ihr Führungsverhalten vermutlich ausrichten auf: Nachgiebigkeit, fehlende Konsequenz bei Leistungs- und Ergebnismängeln, fehlende Durchsetzungsfähigkeit, Schönreden, Kuschelklima, …you name it.

Klare, konsequente, unbequeme und damit auch effektive Führung wäre ausgeschlossen, zumindest sehr erschwert. Darum aber kann es nun wirklich nicht gehen.

In diesem Sinne heißt unsere Antwort auf Ihre Frage: Nein, haben wir nicht.

Sie verwenden gerne den Begriff „Wertschätzungsfalle“. Welche gibt es und welche Tipps haben Sie um erst gar nicht in solch eine Falle zu „tappen“.

Dieter Winkler:

In meinen Antworten auf Ihre vorherigen Fragen habe ich bereits einige dieser Fallen konkret und beispielhaft beschrieben. In der Hauptsache sind dies:

  • Wertschätzung mit Lob/Anerkennung zu verwechseln, was ja unsere Definition von Wertschätzung konterkariert, denn das hieße ja „kein positives Verhalten/Ergebnis = keine Wertschätzung“.
  • Wertschätzung   mit „lieben/mögen“ gleich zu setzen.
  • Wertschätzung messbar und „funktionsfähig“ machen zu wollen, etwa mit dem Prinzip der Reziprozität. Dann sitzen wir in der „Manipulationsfalle“.

 

Herr Wenderoth lassen Sie mich bitte noch eine Falle benennen, die bisher unerwähnt geblieben ist und in die wir mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund unserer Konditionierung in früher Kindheit unbewusst hineintappen:
Wenn etwas nicht so ist wie wir es gerne hätten, wenn uns etwas stört oder ärgert, dann haben wir unbewusst einen grundsätzlichen Mechanismus in unserer Kindheit bereits entwickelt. Wir haben diesen Mechanismus unseren ersten Bezugspersonen (in der Regel unsere Eltern) abgeguckt, ihn „gelernt“. Nämlich: durch temporären und sicht-, hör-, oder spürbaren Entzug von Wertschätzung den Anderen dazu zu bringen, sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten oder bestimmtes Verhalten sein zu lassen.

Sicher hat sich jeder von uns schon einmal in einer solchen Wertschätzungsfalle ertappt.

Was sind nun unsere Tipps, die selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben….
Zunächst einmal mehr Klarheit durch Selbstreflexion erreichen, etwa durch Beantwortung der folgenden Beispielfragen:

  • Was ist meine innere Einstellung zum Thema Wertschätzung?
  • Wie definiere ich Wertschätzung für mich?
  • Was brauche ich selbst, um mich wertgeschätzt zu fühlen?
  • Was sind meine Werte/Glaubenssätze zum Umgang mit anderen Menschen?

 

Dann: in Kritiksituationen immer das konkrete Verhalten der Person ansprechen und nicht von der Person als Ganzes sprechen; wenn mir etwas „querkommt“ davon ausgehen, dass der Andere eine wie auch immer geartete positive Absicht hatte und sich bezüglich der Wirkung auf mich nicht im Klaren war. Das sind Voraussetzungen, die es uns ermöglichen zu einer positiven Grundhaltung gegenüber Menschen zu kommen, die wir Wertschätzung nennen.

 

Zum guten Schluss auch noch konkrete Tipps zu wertschätzender Sprache
(verbal wie nonverbal).
Merke: nicht aufgesetzt, nicht antrainiert, sondern aus innerer Haltung kommend!

Stärkende Komplimentwörter „words of Affirmation“ nutzen; ungeteilte Aufmerksamkeit für den anderen (Zeit, Blickkontakt, zugewandte Körperhaltung); Gesten, die von Herzen kommen; Vertrauen und Zutrauen „Empowerment“.

 

Kleine Schritte zu mehr (vor)gelebter Wertschätzung.
Es ist höchste Zeit, dass mehr Führungskräfte eine wertschätzende Haltung zu den Menschen in Ihrer Umgebung entwickeln.

Herzlichen Dank für das Interview Herr Winkler!