Hanspeter Ludwig

Hanspeter Ludwig

Layout, Satz und Gestaltung
Inhaber


Eines der hartnäckigsten Gerüchte in der Grafik besagt, jeder Grafiker könne zeichnen.Hanspeter Ludwig

„In den 80ern musikalisch und sonstig sozialisiert. Aufgewachsen mit Punk, Gothic, Endzeitfilmen und Comics. Irgendwann körperlich älter geworden, den Geschmack ausgeweitet und dazugelernt. “ So beschreibt sich das künstlerische Multitalent Hanspeter Ludwig, Jahrgang 1965, aus dem beschaulichen Wetzlar selbst. Seit 2004 hat er nicht weniger als 600 Cover und Bücher gestaltet. Klingt alles nach einem unkonventionellen Typen, viel Berufserfahrung und einem interessanten Werdegang. Insbesondere über seine Arbeit als Cover Designer habe ich mit ihm gesprochen. Er sei manchmal etwas „schnodderig“ schrieb er mir kurz vor diesem Interview. Na gut, schauen wir mal ob´s stimmt.

Herr Ludwig, wie war das damals in den 80ern, was hat Sie beruflich geprägt und wann fingen Sie an, nicht nur für die Schublade zu arbeiten?

Hanspeter Ludwig:

Sie werden lachen: Der Mac. Ich habe 1985 angefangen in Agenturen zu arbeiten als Reinzeichnungen noch mit Isographen, Kurvenlinealen und Cuttermessern auf hochgekreidetem Karton gezeichnet wurden. Elendig mühsam und langweilig.

1988 habe ich dann einen Job bei der US-Army angetreten: Zeichenlehrer in der Erwachsenenbildung, da stand ein Mac Plus mit interner und externer Floppy, den wir für unsere Arbeit nutzen sollten. Und damit gab es Vektor-Programme, mit denen eine Reinzeichnung anstatt in Tagen in Stunden ausgeführt war.

Ansonsten muss ich die Vorbilder in zwei Richtungen aufteilen: Illustration/Comics und Typografie/Layout. Bei der Zeichnerei waren es neben diversen Künstlern aus dem Comic-Bereich, wie etwa Moebius, Franquin, Hergé, Yves Chaland und Serge Clerc vor allem Jugendstil-Künstler, allem voran Mucha und Klimt sowie Toulouse-Lautrec.

Im Prinzip alles Zeichner, die die betonte Außenlinie pflegten – also durchaus Comic-verwandt arbeiteten. Tatsächlich waren die letztgenannten ja Vorbilder für ganze Generationen an Comiczeichner.
In der Gestaltung haben mich vor allem David Carson oder Neville Brody begeistert. Carson war zwar nie ein Vorbild, das ich nachahmen wollte, dafür ist mein Stil zu klar oder klassisch, aber es hat mir gefallen, wie er Text als gestalterisches Statement eingesetzt hat und Sehgewohnheiten auf den Kopf stellte.

Meine eigenen Arbeiten habe ich Anfang der 1990er Jahre begonnen zu veröffentlichen. Einerseits waren das Comics, die ich für Zeitungen und Stadtmagazine zeichnete, andererseits habe ich mit einigen Freunden seinerzeit das kostenlose, werbefinanzierte Comic-Magazin »The Kainsmal« herausgegeben. Darin erschienen Kurzgeschichten von Zeichnern aus der Region Gießen/Marburg/Wetzlar.

Das Magazin war zwar so erfolgreich, dass die Ausgaben jeweils nach wenigen Stunden vergriffen waren, aber wir waren noch nicht so weit, daraus wirtschaftlich Nutzen zu ziehen. Letztendlich ging die Finanzierung immer 0 auf 0, Gewinne haben wir keine gemacht.

Als Gestalter und Cover Designer, sind Sie in der Lage, einen Titel auch von Hand zu zeichnen. Ist das in der Gegenwart schon so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal?

Hanspeter Ludwig:

Für einen Buchgestalter, ja. Das hängt aber auch mit der klassischen Aufteilung der Arbeiten zusammen. Die Buchblöcke, also der Innenteil werden meist getrennt vom Cover entwickelt. Bei größeren Verlagen gibt es dafür sogar unterschiedliche Abteilungen. Die Fertigung ist für die Innenseiten zuständig, das Marketing, Lektorat oder ein Produktmanager für die Covers.

Aber auch bei den Covergestaltungen wird heute vor allem auf Stock-Images zurückgegriffen. Das heißt, ein Grafiker schaut sich an, was er zu bestimmten Stichworten an Bildern findet und versucht darauf basierend ein Cover zu entwickeln. Selbst zeichnen können oder wollen die wenigsten Grafiker. Das ist auch nicht nötig, denn Zeichnungen werden relativ selten gebraucht – was ich schade finde.

Eines der hartnäckigsten Gerüchte in der Grafik besagt, jeder Grafiker könne zeichnen. Das ist weit von der Realität entfernt, tatsächlich wird umgekehrt eher ein Schuh draus: »Jeder Zeichner kann gestalten« stimmt da eher. Die meisten Zeichner erleben irgendwann, dass sie ausschließlich vom Zeichnen nicht leben können und lernen ihre Fähigkeiten auch in anderen Bereichen einzusetzen, da ist ein vorhandenes Wissen um kompositorische Regeln enorm wichtig.

Wie wichtig sind gestaltete Buch-, Magazin- und Zeitschriftentitel? Welche emotionalen Prozesse sollen/können angestoßen werden?

Hanspeter Ludwig:

Das ist der in Verlegerkreisen die wohl am heftigsten umstrittene Frage. Vor allem Verleger oder Verlagsverantwortliche die vom Text aus ein Buch betrachten, sind oft der Meinung, das Cover sei gar nicht von entscheidender Bedeutung. Da halte ich – gelinde gesagt – für komplett falsch.

Seit ein paar Monaten gibt es eine Studie, die zusammen mit Studierenden der Uni Karlsruhe entstand. Das Ergebnis ist ziemlich klar: Vor allem das Cover bestimmt darüber, ob ein Buch gekauft wird oder nicht! Und das scheint sogar unabhängig vom Genre oder gar der Art des Buches zu sein. Selbst Sachbücher fallen scheinbar unter diese Gesetzmäßigkeit. Es gab da auch ein Beispiel, das mir erwähnenswert erscheint. Eine Autorin, die mit ihrem Erstling einen ziemlichen Erfolg hatte, wunderte sich, warum alle ihre nachfolgenden Bücher deutlich weniger erfolgreich waren.

Nun, das Cover des ersten Buches hatte ein gut gemachtes, dem Genre entsprechendes Cover. Die Leser stürzten sich darauf, mussten dann aber feststellen, dass der Inhalt nicht dem Umschlag entsprach, bzw. die Qualitäten, die das Cover aufwies, im Text nicht zu finden waren. Selbst die tollsten Covers danach konnten den Einbruch der Verkaufszahlen nicht mehr verhindern, weil der Text nicht überzeugen konnte.

Ein anderes Beispiel aus meiner Produktion war ebenso erstaunlich: Ich sollte ein Cover für ein Buch über China und Psychotherapie machen. Vorgegeben war natürlich die Reihengestaltung – glücklicherweise eine eigene – und ein chinesisches Schriftzeichen. Obwohl das Buch gar nicht in einer Hauptreihe erschien, wurde es zu einem verlagsinternen Bestseller, weil das Cover zu den schönsten und auffälligsten des Verlagsprogramms zählt.

Jede Emotion hilft! Sie muss natürlich zum Genre passen. Ich würde keine Gestaltung machen, die mit Horror- oder Gore-Elementen spielt, wenn es um eine Komödie geht. Genauso wenig sollten problematische Themen mit ironisierenden oder satirischen Covers versehen werden. Allerdings kann gerade so eine vordergründig unpassende Kombination durchaus den Erfolg verstärken. Solche Gestaltungen richtig zu machen erfordert aber ein Riesenmass an Fingerspitzengefühl und Zeit – und zumindest letzteres hat man selten in der Verlagsbranche.

Lachen und leichtes Gruseln dürften aber die Emotionen sein, die den Leser noch am Besten erreichen. Ekel ist schon nur noch für eine Randgruppe interessant, die Masse der Leser wird sich von einem Cover das Ekel hervorruft eher abwenden. Melancholie ist mit einfachsten Mitteln zu erreichen, aber nicht unbedingt eine Emotion die hohe Verkäufe verspricht. Allerdings zeigt die Aufzählung auch, wie sehr wir die Schere im Kopf schon verinnerlicht haben, wenn Emotionen nach ihrer Gewinnträchtigkeit beurteilt werden.

Briefing für einen neuen Verlagstitel. Wie läuft so ein Termin ab?

Hanspeter Ludwig:

Das hängt ganz vom Werk ab. Viele Sachbuchverlage machen gar kein Briefing, denn es werden Bildmaterialien eingesetzt, die einem Redakteur oder Lektor passend erschienen und der Gestalter hat nun die Aufgabe das Bild, die womöglich vorhandene Reihengestaltung und den Titel irgendwie gefühlsmäßig unter einen Hut zu bringen.

Es hilft, wenn man selbst ein wenig über das Thema weiß. Besonders die Farbwahl ist dabei wichtig. Ein Buch über Depressionen mit quitschbunten Farben auf dem Titel dürfte wohl am Ziel vorbeischießen, während dieselben Farben bei einem Buch über Bipolare Persönlichkeiten schon wieder passen könnten.

Bei Belletristik-Titeln rede ich i.d.R. erst einmal mit dem Autoren oder dem Verantwortlichen im Verlag. Dabei wird mir die Geschichte in groben Umrissen erzählt. Oder ich bekomme das Exposé des Titels und einige Wünsche der Kunden, z.B. ob die Gestaltung gegen das Genreklischee laufen darf oder welche Bestandteile wichtig sind. In diesen Gesprächen entwickeln sich dann erste Ideen und basierend darauf setze ich mich hin und entwerfe eine Gestaltungsgrundlage.

Im Zeitalter von DTP und EBV gibt es den klassischen Entwurf praktisch nicht mehr. Es wäre auch komplette Zeitverschwendung, wenn ich mich hinsetzen würde um erst mal mit einer Handzeichnung einen Entwurf skizzieren. Daher setze ich das Ganze meist direkt in einem Layoutprogramm um. Der Weg zur druckfertigen Datei ist damit auch schneller.

Muss man als Cover Designer auch immer eine Brücke zwischen Titelbild und Inhalt schlagen – und wie gelingt das?

Hanspeter Ludwig:

Idealerweise sollte es so sein. Leider geschieht das – auch bei großen Verlagen – viel zu selten. Ein Beispiel (mit dem ich allerdings nichts zu tun hatte) einer meiner liebsten deutschen Fantasy-Autoren, Kai Meyer, wurde in den 90ern schon gedruckt. Seine Erstlingsreihe erschien 1998 bei Heyne und hatte ein Cover, das dem idealtypischen Klischee des Historienromans entsprach: Klassisch anmutende Malerei – in dem Fall eher aus der Romantik oder dem Symbolismus – und als Titeltypo eine Scriptschrift.

Die Gestaltung war durchaus gut, aber leider, wenn man den Inhalt kennt, komplett unpassend. Die Geschichte spielt zwar im 19. Jahrhundert, aber die fantastischen Elemente überwiegen doch massiv. Fantasyaffine Leser dürften erst gar nicht zu dem Buch gegriffen haben und Fans von historischen oder genauer historisierenden Romanen dürften sich über die Themen wie Zauberei und Unsterblichkeit gewundert haben.

Die aktuellen Ausgaben sind nicht mehr in diese Falle getappt und haben wunderbare, grafisch sehr aufwändige Covers bekommen, bei denen meines Erachtens das Problem bei der Einordnung von Titeln aus der Feder von Kai Meyer hervorragend gelöst wurde.

Ein weitere Problem ist die Reihenfolge der Entstehung. Oft werden die Covers schon entwickelt, wenn am Manuskript noch gearbeitet wird. Dann ist man auf die Infos vom Verlag angewiesen und seine eigene Fantasie.

Mainstream ist sicherlich nicht unbedingt Ihre Sache. Gibt es da manchmal, je nach Kunde, auch schwierige Situationen?

Hanspeter Ludwig:

Oh, das würde ich so nicht sagen. Bedenken Sie, ich bin von einer Zeit geprägt, als Comics vor allem Klischees transportierten, in der Fernsehserien praktisch jedes Klischee nutzten, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. Insofern bin ich schon am Mainstream orientiert. Allerdings betrachte ich Covergestaltung auch gewissermaßen als Gesamtkosmos: Ich frage mich stets, wie wohl das Buch das ich zu gestalten habe in einer Buchhandlung wirken würde.

Fällt es auf, weil die Gestaltung vom Mainstream abweicht aber dennoch die Stimmung in der Geschichte widerspiegelt? Kann ich gegen den Mainstream etwas gestalten, das gegen die Konventionen eines Genres verstößt gleichzeitig aber einen Eindruck gibt, welches Genre überhaupt gemeint ist? Das ewige Rot-Schwarz-Weiß-Klischee oder auch Blut-Waffe-Typo-Klischee bei Krimis ist inzwischen derartig ausgelutscht, dass ich selbst gar nicht mehr wirklich hinschaue, wenn ich solche Covers sehe. Ähnlich ist es mit den typischen SF-Covers. Die Farbpalette dieser Covers beschränkt sich leider allzu oft auf kalte Farben.

Anders herum betrachtet, wird meine Argumentation noch deutlicher: Warum sollte man sich an die Genreklischees halten? Damit das eigene Cover im Wust der gleich oder ähnlich gestalteten Bücher untergeht? Wohl kaum.

Komplett brechen sollte man diese ungeschriebenen Gesetze allerdings nicht, man kann aber damit spielen – und das tue ich gern.

Schildern Sie doch bitte, wie aus Ihrer Sicht, der Prozess einer Auftragsarbeit optimal abläuft. Haben Sie vielleicht ein Beispiel, an das Sie sich besonders gern erinnern?

Hanspeter Ludwig:

Optimal sind Aufträge bei denen ich frei entscheiden kann, wie die Gestaltung aussieht, ohne Einflussnahme von Außen. Womit ich nicht sagen will, dass ich Vorgaben ignoriere. Die brauche ich, ganz sicher. Aber wie ich mit den Vorgaben umgehe bestimme ich gern selbst. So ein Fall war jüngst »Das Buch der Rose« von Petra van Cronenburg.

Dabei handelt es sich um eine historische Betrachtung der Rose, nicht um ein Gartenbuch mit  Rosen als Thema. Das Cover musste also einige Aspekte der Kunst- und Kulturgeschichte wiedergeben, die Rose thematisieren und auch noch Kitsch vermeiden. Ich habe Petra van Cronenburg dann gesagt: »Lass mich einfach mal machen. Wenn es in die richtige Richtung geht, super, wenn nicht, habe ich ne schöne Illu für mich selbst gemacht.« Sie war begeistert! Wir sind beide große Fans des Jugendstil, bzw. der Art Nouveau und ich habe eine Federzeichnung angelegt, die stilistisch sehr nah am Jugendstil ist, aber eher dem deutschen Jugendstil entspricht. Klar, eher gradlinig und einfach konstruiert, dafür aber mit Symbolismen spielend.

Bei Autoren die ich weniger gut kenne oder mit deren Werk ich nicht vertraut bin, ist eine Vorstellung des Autors oder des zuständigen Lektors sehr hilfreich. Basierend auf deren Informationen entwickle ich dann die erste Idee. Kommt die an, wird die Arbeit verfeinert, Wünsche der Kunden fließen dann meistens auch noch ein und schließlich hat man eine Gestaltung mit der beide Seiten zufrieden sind.

Im Laufe der Jahre habe ich mir abgewöhnt gleich zu Anfang mehrere Entwürfe vorzulegen. Das stiftet nur Verwirrung oder gipfelt in dem Wunsch die Elemente aus den unterschiedlichsten Entwürfen zusammen zu schaufeln. Was dabei entsteht, kann man nur Bastard nennen – schön werden solche Covers selten. Gestaltung funktioniert immer dann, wenn alle Elemente zusammenwirken, Bild, Komposition und Typografie.

Ändert man einen Bestandteil zieht das stets eine Kette von weiteren Änderungen nach sich. Bietet man dann gleich am Anfang mehrere Versionen an, wird es schwierig die Wünsche der Kunden vernünftig zu kanalisieren.

Ist ein Kunde mit dem Erstentwurf nicht zufrieden, lege ich einen weiteren Entwurf an. Diesen Vorgang wiederhole ich gern auch, bis man sich auf eine Richtung geeinigt hat. Mehr als drei Erstentwürfe musste ich allerdings bisher nie vorlegen, i.d.R. wird schon der erste genommen.

Welchen Anspruch haben Sie an Ihre Arbeiten? Brauchen Sie immer auch einen künstlerischen Freiraum oder gibt es für Sie keinen Spagat zwischen Kunst und Kommerz?

Hanspeter Ludwig:

Da muss ich trennen zwischen Eigenproduktionen und Auftragsarbeiten. Bei Eigenproduktionen stehe ich mir gern mal selbst im Weg, weil ich natürlich jeden Aspekt berücksichtigen will. Ein mitunter fehlgeleiteter Perfektionismus, schlicht, weil er verhindert, dass ein Werk überhaupt fertig wird. Hier ist eindeutig der künstlerische Aspekt zentral.

Bei Aufträgen sehe ich meine Aufgabe eher als kommerzielle Leistung. Ein Buch soll sich verkaufen und ich möchte mit meiner Gestaltung dabei helfen.

Es wäre allerdings ein Fehler anzunehmen, kommerzielle Gestaltung könne auf künstlerische Freiräume verzichten. Ein Beispiel: Ein inzwischen untergegangener Verlag hatte eine Erotikreihe mit wirklich hervorragenden Fotos eines befreundeten Fotografen gemacht. Tolle Bilder, hervorragend geschossen mit höchster technischer Perfektion bearbeitet. Die wurden in ein Kästchen auf dem Cover untergebracht und darunter ohne Spationierungsanpassung oder optischen Ausgleich der Titel auf ein schwarzes Rechteck gesetzt – in weiß und einer halbfetten Antiqua.

Die Laufweite war für diesen Schnitt komplett unpassend, weil unverändert. Und das entspricht dem typischen Einsatz einer Antiqua als Mengentext. Gerade bei  diesen Schnitten empfiehlt es sich die Laufweite zu reduzieren oder massiv zu vergrößern, will man sie als Displayschrift nutzen, andernfalls wirkt die Typo fehl am Platz oder unausgewogen.

Der Verlag hatte also versucht über die Bilder Kommerz zu betreiben, übersah aber, dass selbst mutmaßliche Kleinigkeiten eine Gestaltung aus der Balance bringen und damit auch für den Laien unausgegoren wirken können. Resultat: Die Reihe lief schleppend und das in einem Genre, das seit Jahren stabile Verkaufszahlen aufweist.

Ich würde also den Spagat gar nicht zwischen Kunst und Kommerz sehen. Tatsächlich ist die eigentliche Kunst, den Kommerz zu treffen und dabei den eigenen Freiraum weitestmöglich auszunutzen.

Nach Jahren der Verlagsarbeit, haben Sie im Oktober 2014 einen Verlag gegründet. Aus welchem Antrieb heraus?

Hanspeter Ludwig:

Nostalgie? Nee, nicht nur. Aber sie hatte großen Anteil an der Entscheidung. Ich hatte es satt mit Verlagen über meine Projekte zu verhandeln um dann festzustellen, dass ich die verlagstypischen Arbeiten ohnehin dauernd selbst erledigen muss. Da lag es irgendwann nahe, für meine eigenen Projekte oder solche, die ich toll und unterstützenswert finde, einen eigenen Verlag zu gründen.

Wer außer mir selbst würde einen Comic veröffentlichen, der vor über 20 Jahren zuerst in einem lokalen Stadtmagazin veröffentlicht wurde? Allerdings war genau dieses Werk mein Einstieg in den professionellen Bereich der Comics, der allerdings nie vernünftig ediert als Buch erschienen ist. Und der Comic wird jetzt sogar fortgesetzt, allerdings in der Jetztzeit soll aber trotz der immer noch satirischen Grundhaltung eine Art Krimi-Noir werden. Insofern hat die Verlagsgründung auch eine verstärkte Beschäftigung mit den eigenen Arbeiten gebracht.

Man muss auch wissen, dass es in Deutschland noch immer unverhältnismäßig schwierig ist, ausschließlich von Comics zu leben – zumindest als Zeichner. Ein Zeichner erhält vom Verlag oft nur ein geringes Verlagshonorar, das kaum für ein, zwei Monate die Lebenskosten deckt.

Ein durchschnittlicher Comicband braucht aber schon mal ein halbes bis ganzes Jahr (oft durchaus auch erheblich länger), bis er fertig gezeichnet ist, selbst wenn man konstant daran arbeiten kann. Als Zeichner ist man also in der Zwickmühle, den Termin im Auge zu behalten, gleichzeitig aber auch Geld für’s Leben zu verdienen. Das funktioniert leider nur durch Selbstausbeutung.

Die Frage war also irgendwann: Will ich mich für ein paar Tausend Euro Honorar und einen vermutlich ebenso geringen Anteil an Ausschüttung über Monate selbst kasteien oder arbeite ich an meinen eigenen Projekten wenn ich Zeit und Lust habe? Natürlich könnte ich auch zunächst das Werk fertigstellen um es als Ganzes zu verkaufen, aber ich bin mir durchaus bewusst, dass meine Comics in einer eher kleinen Nische stehen, einen Massenmarkt werde ich vermutlich nie erreichen – wobei man selbst das eigentlich nie voraussagen kann – und damit bin ich für die meisten großen Comicverlage eher uninteressant.

Aber auch das ist eine Vermutung, denn gerade erschienen die ersten Rezensionen zu dem erwähnten ersten Comic aus dem Maverick-Verlag und die sind erstaunlich positiv ausgefallen. In gewisser Weise ist das Werk schon so etwas wie ein Klassiker.

Wo möchten Sie in fünf Jahren stehen? Werden Sie auch weiterhin als Cover Designer arbeiten?

Hanspeter Ludwig:

Hätte mir jemand vor 15 Jahren gesagt, ich würde irgendwann einmal über 600 Bücher gestaltet haben, hätte ich seinen Verstand angezweifelt. Neben der Grafik und Illustration lag mein Fokus damals auf 3D-Animation und Postproduktion für Film und TV, alles Bereiche, die mich erheblich mehr begeisterten als Buchgestaltung, die mir unglaublich langweilig erschien. Vor allem der Mengensatz. Je ich tiefer in die Materie eindrang, desto größer wurde meine Begeisterung über diesen Arbeiten.

Insofern bin ich vorsichtig mit Vorhersagen. Gehe ich nach meinen Wünschen, so will ich auch in fünf Jahren noch als Cover- und Buchgestalter arbeiten. Das hängt aber von der Auftragslage in dem Segment ab. Auch Verlage geraten immer stärker unter Druck, müssen billiger produzieren und schneller reagieren. Dementsprechend wird der Druck auf freiberufliche Gestalter ebenfalls größer, die Verdienstmöglichkeiten gleichzeitig geringer.

Derzeit arbeite ich daran eine ganzheitliche Betreuung von Autoren und Verlagen zu entwickeln. Dazu gehört eine Bilddatenbank mit Stock-Images und ein Netzwerk aus anderen freiberuflichen Verlagsmenschen wie Lektoren, externen Verlagsleitern und Agenten. Ziel ist gute Gestaltung für jeden Geldbeutel anbieten zu können.
Der »Maverick-Verlag« jedenfalls, wird sicher an Bedeutung für mich zunehmen.

Alles Gute und weiterhin viel Erfolg mit dem "Maverick-Verlag" Herr Ludwig!