Michael Geerdts
Angewandte Kommunikation
Inhaber
Great stories happen to those who can tell themIra Glass
Vor zwei Jahren besuchte ich mit meinem Sohn das Wikingerdorf „Flake“ am Walchensee. Nach kurzer Zeit, fand ich mich mit unserem Filius im Zelt eines Geschichtenerzählers wieder. Dieser verstand wohl etwas von seiner Kunst. Selten habe ich so viele Kinder, dicht beieinander gedrängt sitzend, den Worten eines Erwachsenen still lauschend, erlebt. Doch nicht nur kleine Menschen lieben Geschichten. Gute Geschichtenerzähler haben ein Erfolgsrezept, das auch bei Erwachsenen gut ankommt. Es lautet: Geschichten, die wir uns selbst und anderen erzählen, sind unsere Gebrauchsanweisung zum Überleben. Michael Geerdts ist ein moderner Geschichtenerzähler der Gegenwart. Er vermittelt sein Wissen über Business-Storytelling und erklärt, wie wir damit bei Präsentationen und Gesprächen wirkungsvoller kommunizieren können. Nutzen Sie schon die Kraft einer guten Geschichte?
Herr Geerdts, wenn ich Ihnen den 30. März 2004 als Datum nenne, was fällt Ihnen „spontan“ dazu ein?
Michael Geerdts:
Autsch, der peinlichste Tag meines beruflichen Lebens. Und der begann so schön mit einem heißen Cappuccino und einem knackigen Croissant. Ich halte meinen ersten großen Vortrag als Trainer. Die Sonne scheint hell in den Meetingraum der Media Docks in Lübeck. Wenn Sie dabei gewesen wären, hätten Sie 30 gestandene Unternehmer sowie Reporter der örtlichen Zeitungen gesehen, die erwartungsvoll vor mir sitzen. Der Moderator kündigt mich an und dann passiert es….
Ich stehe auf und meine Beine beginnen zu zittern. Die Stimme bebt. Dann quäle ich mich von Folie zu Folie und verhuste den gesamten Vortrag. Können Sie sich vorstellen, wie peinlich mir das war? Die meisten kennen solche Momente.
„Das wird Dir nie wieder passieren“ habe ich mir damals vorgenommen und weiter an mir gearbeitet. Das Thema Storytelling fand ich besonders spannend. Rund um den Globus habe ich Seminare besucht und nahezu jedes Buch zum Thema verschlungen. Würden Sie sich in einem Varieté auf die Bühne stellen? Genau das habe ich in der Scheinbar hier in Berlin getan.
Während der intensiven Beschäftigung mit dem Thema habe ich eine einfache Schritt-für-Schritt-Methode entdeckt, mit der JEDER gute Business-Stories erzählen kann.
Die Essenz gebe ich heute in meinen Workshops weiter, damit es meinen Kunden anders geht, als mir am 30. März 2004. Sie lernen, wie sie die richtigen Geschichten finden und erzählen, um sich erfolgreich im Markt von anderen zu unterscheiden, ihre Botschaft verständlich zu erklären oder ihre Ideen kreativ zu verkaufen.
Storytelling ist doch eigentlich ein „alter Hut“ – oder nicht?
Michael Geerdts:
Im Gegenteil. PowerPoint gibt es seit 1987, Geschichten erzählen wir uns seit mehreren 10.000 Jahren. Schon die ersten Höhlenzeichnungen berichten von spannenden Ereignissen. Später kam das gesprochene Wort dazu, lange bevor wir Schriftzeichen hatten.
Stellen Sie sich vor, sie und ich wären vor Urzeiten auf der Jagd gewesen. Plötzlich knackt ein Ast im Gebüsch und ein Tiger steht vor ihnen. Wir laufen und retten uns auf einen Baum. Es dauert Stunden, bis der Tiger verschwindet. Endlich geht die Sonne wieder auf. Wir laufen zurück zur Höhle und erzählen den anderen von dem Ast, dem Tiger und dem Baum.
In diesem Fall nutzen wir die Geschichte, um Wissen und Erfahrungen zu vermitteln. Stories haben den Menschen damals geholfen zu überleben. Noch heute gibt es Naturvölker, die ihre gesamte Kultur mündlich von Generation zu Generation übermitteln.Wir konnten so aus den Fehlern und Erfolgen anderer lernen, ohne uns selbst in Gefahr zu bringen. In Unternehmen heißt das heute Strategiemeeting oder Best-Practice.
Vielleicht gibt Ihnen das einen Eindruck, weshalb Storytelling alles andere als ein alter Hut, sondern eine der wirksamsten Kommunikationsformen ist.
War jetzt einfach mal „Storytelling“ dran oder weshalb ist dieses Thema so verstärkt aufgegriffen worden?
Michael Geerdts:
Vor kurzem habe ich meinen Freund Mark besucht. Sein jüngster Sohn Paul war zu der Zeit gerade krank und Mark meinte: „Vielleicht hast Du Lust, Paul die Medizin zu geben.“ Ich öffne die Flasche und ein unangenehmer Geruch steigt mir in die Nase. Ich träufele die Medizin auf einen Teelöffel, beuge mich runter zu Paul und sage: „Paul, hier ist Deine Medizin. Damit wirst Du ganz schnell wieder gesund.“ Paul, gerade mal zwei Jahre alt, verzieht das Gesicht und dreht den Kopf weg. „Paul, wenn Du das jetzt nimmst, können wir bald wieder zusammen auf den Spielplatz.“ Er zieht wieder eine Flunsch (norddeutsch für verzogene Mundwinkel, die negative Gefühle ausdrücken). „Nimm´ doch mal einen Löffel von Deiner Medizin.“
Mein Freund Mark sieht sich das Ganze an und lacht sich fast kaputt. „Geerdts, man merkt eben, dass Du keine eigenen Kinder hast. Mische das Zeug doch in einem Fruchtzwerg.“ Paul liebt diese kleinen, süßen Joghurts. Also habe ich die Medizin und einen Fruchtzwerg genommen und alles gut verrührt. Können Sie sich vorstellen, wie schnell der kleine Paul alles aufgegessen hat? Was hat das jetzt mit ihrer Frage zu tun?
In dieser Geschichte steht die Medizin für die Informationen, die wir anderen vermitteln möchten. Und die ist im wahrsten Sinne des Wortes oft schwer zu schlucken. Vielleicht ist die Menge an Informationen zu groß oder sie sind langweilig aufbereitet. Denken sie auch an unangenehme Nachrichten wie Kündigungen zum Beispiel, dann ist die Medizin zu bitter. Wenn Sie ihre Botschaft dann in einem leckeren Fruchtzwerg verstecken – also in einer Story – ist sie leichter zu schlucken.
Wahrscheinlich können sie sich auch in 14 Tagen noch an Paul und den Fruchtzwerg erinnern. Und das auch bei der Datenflut, die jeden Tag wie eine Tsunamiwelle über uns hereinbricht. Meiner Meinung nach haben Unternehmen erkannt, dass sie mit der richtigen Geschichte leichter Interesse für ihre Botschaft wecken und ihre Produkte kreativ verkaufen. Wir können uns Stories leichter merken, als Zahlen, Daten und Fakten. Ganz egal, was ihre Botschaft ist, sie lässt sich in einer mitreißenden Story leichter vermitteln.
In einem Ihrer Newsletter, schreiben Sie auch über „betreutes lesen“ und „rhetorische Rülpser“. Spielen Sie damit auf die Form der meisten, heute noch üblichen, Präsentationen an?
Michael Geerdts:
Ja. Der Ausdruck betreutes lesen stammt von meinem Kollegen Andreas Bornhäuser. Wenn ich in Workshops oder Vorträgen frage: „Wenn halten Sie für einen außergewöhnlichen Redner?“ ist ein Name unter den Antworten immer mit dabei. Steve Jobs.
Seine Präsentationen waren für mich immer ein wahres Fest. Kein „Herzlich willkommen, meine Name ist Steve Jobs und wir sprechen heute über das Iphone, sondern Heute ist ein Tag, auf den ich mich seit zweieinhalb Jahren freue. Ab und zu taucht ein revolutionäres Produkt auf, das alles verändert.“ Das macht doch von Beginn an schon Lust auf mehr, oder?
Grandios finde ich seinen Anruf bei Starbucks, bei dem er 4000 Latte-to-go bestellt. Mein persönliches Highlight ist der Moment, in dem die Fernbedienung ausfällt und er eine lustige Geschichte aus seiner Studienzeit erzählt: „Als ich in der Highschool war… Wenn doch jede Präsentation so mitreißend wäre.
Ich wünsche mir mehr Redner, die sich gut vorbereiten und den Foliensatz nicht als roten Faden für ihren Vortrag nehmen. Ich wünsche mir mehr Redner, die mit einer guten Story Emotionen wecken, als ihr Publikum mit Tortendiagrammen und Texttsunamis in den Schlaf zu wiegen. Ich wünsche mir mehr Redner, die auf rhetorische Rüipser wie „ähm, sozusagen, wie schon gesagt,“ verzichten und ihre Botschaft in klare Worte und eine mitreißende Inszenierung packen. Dann werden sie der Redner, bei dem das Publikum nicht nur wach bleibt, sondern förmlich an den Lippen hängt.
Menschen kommen zu Ihnen um mit welchen Herausforderungen besser umgehen zu können, Herr Geerdts?
Michael Geerdts:
Menschen kommen zu mir, um wirkungsvoller zu kommunizieren. Ob in Präsentationen, Gesprächen oder als Führungskraft, sie nutzen die Kraft guter Geschichten, um packend und souverän zu präsentieren, sich vom Wettbewerb zu unterscheiden oder um ihre Ideen und Produkte leichter verkaufen.
Vor kurzem habe ich einen Teil meiner Kunden gefragt: „Weshalb kommen Sie zu mir?“
…um von dir zu lernen und zu neuen Sichtweisen zu kommen. …um mit den eigenen herausfordernden Situationen besser und souveräner umgehen zu können. ..um mehr über mich und meine Positionierung herauszufinden.
Ist Business-Storytelling, bei der zunehmenden Akademisierung aller Lebensbereiche, der bewusst andere Weg für Vertrieb und Marketing?
Michael Geerdts:
Meinen Sie damit Zahlen, Daten, Faktentsunamis in endlosen Schachtelsätzen, gepaart mit Fachchinesisch? Storytelling ist sicherlich nicht der heilige Gral und das Allheilmittel für jede Situation. Sie können bei Präsentationen oder in Verkaufsgesprächen gern ab und zu eine unterstützende Folie, ein erklärendes Foto oder einen Videoclip nutzen, wenn es Ihrer Botschaft dient. Fragen sie sich immer: „Was ist meine Kernbotschaft?“ Verpackt in eine persönliche Geschichte ist die dann „sticky“ und bleibt positiv im Kopf haften.
Wie kommt eine gute Geschichte beim Publikum an? Was passiert da in den Köpfen, mit unserem Empfindungsvermögen?
Michael Geerdts:
Sehr gut und sehr viel.. wie Untersuchungen am Center for Neuroeconomics Studies an der Claremont Graduate University sowie der Washington University zeigen. Oder wie mein Coach immer sagt: „Wissenschaftler haben bewiesen….“ Mit einer guten Story aktivieren sie mehr Bereiche im Gehirn, als zum Beispiel mit reinen Informationen oder einem Excel-Sheet. Erzählen Sie eine spannende Geschichte und Ihr Publikum erlebt ähnliche emotionale Achterbahnen wie der Protagonist. Haben Sie im Kino schon mal vor Aufregung geschwitzt oder vor Rührung geweint? Dann wissen Sie, was ich meine. Und Ihrem Publikum geht es bei Ihrer Geschichte genauso.
Wenn Sie eine persönliche, emotionale Geschichte erzählen, wird beim Zuhörer Oxytocin ausgeschüttet. Das ist ein Botenstoff, der für Gefühle wie Liebe, Vertrauen und Sicherheit mit verantwortlich ist. Sie bauen also in kürzester Zeit eine Brücke des Vertrauens zu Ihrem Gesprächspartner. Welchen positiven Effekt könnte das auf Ihren nächsten Vortrag oder Ihr nächstes Verkaufsgespräch haben?
Stellen Sie sich reine Informationen per Excel-Sheet oder eine PowerPoint-Präsentation wie einen kurzen Teaser-Trailer im Kino vor. Mit Storytelling sehen die den ganzen Film in IMAX-3D, inklusive der sich bewegenden Stühle. Welchen positiven Effekt könnte das auf Ihren nächsten Vortrag oder Ihr nächstes Verkaufsgespräch haben?
Glauben Sie, dass jeder zum charismatischen Storyteller werden kann? Welche Voraussetzungen sollte man auf jeden Fall mitbringen?
Michael Geerdts:
Selbstverständlich glaube ich das. Wir alle werden als Geschichtenerzähler geboren. Es ist uns praktisch in die Wiege gelegt. Wir wachsen mit Geschichten auf und sie begleiten uns das ganze Leben.
Da sind die Anekdoten im Alltag: „Du glaubst nicht, was mir heute im Büro passiert ist…“. Oder die Dinge, die wir uns jeden Tag selbst erzählen: „I am the greatest, I said that even before I knew I was. – Muhammad Ali. Und natürlich auch die Werbespots großer Unternehmen wie Apple oder Nike. Teilen sie Ihre Geschichte mit anderen, so oft es geht, weil Sie können. Der Rest besteht aus Struktur, Leidenschaft beim Erzählen und vor allem Übung. Das können Sie zum Beispiel in meinen Workshops lernen. Wenn ich das lernen kann, können Sie das auch.
„Wir sind keine Märchenonkel“, schmetterte vor einiger Zeit ein Professor für Medienwissenschaften den Wunsch seiner Studenten ab, etwas über Storytelling zu erfahren. Wie hätten Sie darauf reagiert?
Michael Geerdts:
“Dazu fällt mir eine Geschichte ein… „ sage ich jedes Mal, wenn einer meiner Studenten mich das fragt. Seit 2008 bin ich Fachdozent für Präsentation und Kommunikation an der HTW hier in Berlin. Mich freut es immer sehr, wenn die Teilnehmer neugierig sind und Lust auf das Thema haben.
Den von Ihnen erwähnten Professor kann ich nicht verstehen. Gerade bei einem Fach wie Medienwissenschaften bietet sich das Thema Storyteling doch an. In Zeiten von Facebook, Twitter, Snapchat oder Periscope hat sich das Medium stark verändert. Die Storystruktur ist annähernd die Gleiche geblieben.
„… wir sind unser ganzes Leben von Geschichten umgeben. Stories sind das stärkste Werkzeug, wenn Du Deine Ideen mit anderen teilen möchtest. Ich möchte Dir vier Geheimnisse verraten, warum Geschichten so auf uns wirken und zwar anhand einer Geschichte…“ Und dann vermittele ich Storytelling mit Storytelling. Also: her mit den neugierigen Studenten!
Welche Empfehlungen und Tipps haben Sie für Menschen, die sich offen und gerne mit diesem spannenden Thema auseinander setzen möchten?
Michael Geerdts:
Auch wenn das jetzt komisch klingt: Fangen Sie einfach erst einmal an. Erzählen Sie bei jeder Gelegenheit kleine Geschichten oder Erlebnisse. Es kommt kommt weder auf ein Ergebnis oder eine Botschaft an, sondern dient dazu, Ihren „Erzählmuskel“ aufzuwärmen.
Beginnen Sie ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Was waren besondere Momente in ihrem Leben? Wann haben Sie wichtige Entscheidungen getroffen? Was ist vielleicht mal nicht so gut gelaufen und vor allem, was haben Sie daraus gelernt? Sie brauchen weder nach Mordor reisen, um den Ring zu zerstören, noch dem Tod von der Schippe gesprungen sein. Auch kleine Alltagsgeschichten haben oft einen wertvollen Mehrwert.
Es gibt viele gute Bücher, Hörbücher und auch Videos zu dem Thema. Und natürlich können Sie auch gern in einem meiner Workshops an Ihrer Story feilen. Am Anfang benötigen Sie vor allem Praxis und Feedback. Erzählen Sie im Freundeskreis, vor Kollegen und am besten vor Kindern. Und freuen Sie sich schon jetzt auf die vielen positiven Rückmeldungen.
Interessant?
Dieses Interview ...
... hatte 278 Aufrufe am ersten Tag seiner Verbreitung über die sozialen Netzwerke.
ÜBER MICHAEL GEERDTS: Definition Geerdts (gærdss) 1. vermittelt wertvolle Informationen verständlich und humorvoll 2. authentisch und „zum anfassen“ 3. praxisnah und gerade heraus 4. auf den Punkt 5. gibt konstruktives, präzises Feedback. Siehe auch: Business-Storyteller & CSO (Chief Storytelling Officer)