Nina Trobisch
Lumen GmbH
Dramaturgin für Veränderungsprozesse, Systemischer Coach
Der Held wagt sich für seine Vision in die Fremde. Nina Trobisch
„Eins einte die Menschen über alle Zeiten und Kulturen hinweg. Es ist die Einsicht in den Verlauf des Wandels.“ So ist es in einem Video über eines der bemerkenswertesten Veränderungskonzepte der letzten Jahre, an der Universität der Künste Berlin, zu hören. Mit dem „Heldenprinzip“ wurde ein Name gefunden der sich sicherlich spannender anhört als Change Management. Obwohl es genau darum geht auf einer neuen Qualität. Das Heldenprinzip entstammt der Grundstruktur von Mythen aus der Antike und bildet den archetypischen Verlauf von Veränderungen ab. Nina Trobisch steht als Forschungsleiterin und Initiatorin hinter dem Heldenprinzip. Wer den Mut zur Veränderung aufbringt, auf den wartet ein großer Wissensschatz und eine fundierte Methodik für eine kreative Unternehmensentwicklung.
Frau Trobisch, Ihr Change-Modell (oder Veränderungsdramaturgie) „Heldenprinzip®“ basiert auf Beobachtungen, die Sie insbesondere bei mittelständischen Unternehmen gemacht haben. Welche waren das?
Nina Trobisch:
Wir lernen das 1×1, Fremdsprache und ausgeklügelte Computerprogramme. Aber wie lernen wir zum Akteur der Veränderung zu werden, sodass wir ihr nicht ohmmächtig ausgeliefert sind, sondern handlungsfähig und in unserer Kraft bleiben? Diese zugeben etwas zugespitzte Fragestellung gehört auch zu unseren Beobachtungen in mittelständischen Unternehmen.
Sie sind heute, wen wundert´s, einem ständigen Veränderungsdruck ausgesetzt. Sie müssen sich stetig neu ausrichten und dabei ihre zentralen Aufgaben nicht aus dem Blick verlieren. Dabei beobachteten wir eine latente Hilflosigkeit: Wie soll man diese Veränderungen trotz der fortwährenden Ungewissheit angehen und gestalten? Wie gehen wir in Veränderungsprozessen mit den Beteiligten um? Wie beziehen wir alle ein? Wie kommunizieren wir? Wie führen wir unsere Führungscrew zusammen? usw.
Oftmals sollen die Prozesse mit akkurater Planung und neusten technischen Steuerungstools in den Griff bekommen werden. In der Hoffnung, dass man damit auf der sicheren Seite ist und sich weniger mit den inneren Dynamiken dieser Prozesse beschäftigen muss. Denn Führungskräfte haben zwar meist exzellentes Fachwissen, aber immer noch weniger Kompetenzen für die mentale Dynamiken eines Veränderungsprozesses. Ungenügend beachtet bleibt, dass Menschen sich nur mühsam in Prozesse aktiv beteiligen, wenn ihnen der Sinn nicht verständlich ist und wenn sie eher funktionieren, statt agieren sollen.
Das führt in vielen Veränderungsprojekten dazu, dass die Beteiligten im Widerstand bleiben, in der Angst verharren, in innere Emigration gehen und hoffen, dass der Kelch an ihnen vorübergeht. Das gilt übrigens auch für die kleinen und die großen Unternehmen.
Aus unserer Sicht waren es meist das Gleiche, was fehlte, damit Veränderungsprozesse gelingen:
- Es braucht einen Orientierungsrahmen für das Erkennen und Gestalten von Veränderung. Wenn Menschen Orientierung haben, entsteht daraus ein Halt. Aus diesem Halt kann sich eine neue innere Haltung zu Veränderung entwickeln.
- Es braucht eine Struktur, die den dynamischen Spannungsbogen eines Veränderungsprozesses in seiner Gesamtheit abbildet – von Anfang bis Ende.
- Es braucht eine Arbeitsweise, die äußeren und die inneren Prozesse verbindet. Sie muss die Wechselwirkung von planerischer Steuerung und menschlichem Befinden produktiv zusammenführen.
Das gilt für die Vielfalt der Veränderungsprozesse, denen sich der Mittelstand heute stellen muss.
Risiko, Abenteuer, Heldentum. Wie muss man sich solch eine Heldenreise vorstellen, auf die sich Ihre Kursteilnehmer und Kunden begeben könnten?
Nina Trobisch:
Jeder Veränderungsprozess ist einzigartig und doch zeichnet alle eine universelle Grundstruktur aus. So wie die Natur dem Rhythmus der Jahreszeiten folgt, erleben auch wir Menschen Veränderung nach einer typischen, ja archetypischen Struktur.
Dieses kollektive Wissen ist überliefert seit Generationen in Berichten, Bildern und Erzählungen. Wir finden sie im eigenen Leben und in Berichten aus Vergangenheit und Gegenwart. Wir kennen sie aber auch aus Mythen, Erzählungen, Dramen, Filmen. Denn Menschen komprimieren seit jeher ihre Erfahrungen, damit sie verdeutlichen, zuspitzen und daraus lernen zu können. Diese Grundstruktur nutzen wir im Heldenprinzip®.
Es bildet einen Orientierungsrahmen, um Veränderungsprozesse auf verschiedenen Ebenen wahrnehmen und gestalten zu können. Es basiert also auf den weltweiten Erfahrungen der Menschen mit Veränderung. Es bildet ab, wie der dynamische Spannungsbogen eines Veränderungsprozesses verläuft und welche Kompetenzen für die einzelnen Phasen notwendig sind. Die Akteure dieser Prozesse werden in den Geschichten als HELD und HELDINNEN bezeichnet; nicht weil sie alles können und wissen, sondern weil sie sich mutig in einen risikoreichen Veränderungsprozess vom Vertrauten ins Unbekannte wagen, auf diesem Weg reifen und Erneuerung in die „alten Welt“ tragen.
Helden sind also Menschen, Teams oder oder Organisationen, die den „Ruf“ nach Veränderung akzeptieren und sich auf eine Expedition ins Ungewisse einlassen. Dabei erwerben sie Kompetenzen für das Neue und reifen so zum „Meister zweier Welten“: Zum souveränen Manager, der sowohl in der altbekannten als auch in der unbekannten Welt erfolgreich handeln kann.
Sichtbar wird darin ein allgemeingültiges PRINZIP; wie Menschen zu allen Zeiten Veränderung erleben. Das HELDEN-PRINZIP adaptiert diese Grundstruktur für die Gegenwart. Es bietet einen Referenzrahmen, der die strukturellen und mentalen Prozesse des Wandels verknüpft und die schöpferischen Potenziale der Beteiligten aktiviert. Das gilt für Individuen, aber besonders aus für Team und Organisationen.
Wenn sich ein Unternehmen auf eine „Veränderungsreise“ begibt, besteht es eine Heldenreise, so wie es die Protagnisten der alten Mythen auch taten.
Dafür haben wir verschiedene Angebote: Wir können a) in einem Begleitprozess ein Unternehmen in seinem Prozess unterstützen, die einzelnen Phasen erfolgreich zu durchlaufen. Wir können b) die Leitung eines Unternehmens im Sinne einer lernenden Organisation befähigen, diese Struktur kognitiv und emotional zu verstehen und ihr Team selbstständig durch den Veränderungsprozess zu führen. Oder c) bieten wir an der Universität der Künste Berlin | Berlin Career College eine zertifizierte Weiterbildung zum Veränderungsbegleitern nach dem Heldenprinzip an.
Wie funktioniert die Übertragung aus alten Geschichten und Mythen in für Unternehmen nachvollziehbare Prozesse?
Nina Trobisch:
Wie gesagt, der Weg verläuft in einer typischen Schrittfolge, die als Referenzrahmen dient. Da dieser Rahmen uns allen bekannt ist, funktioniert auf der Oberfläche ziemlich schnell eine Identifikation mit der Prozess-Struktur. Aufgrund gemeinsam geteilter Bilder und Assoziationen fällt eine Verständigung leichter und man kann sich besser orientieren.
Wir unterscheiden hier, ob es sich um einen persönlichen Veränderungsweg handelt, den z.B. Führungskräfte gehen, wenn sie neue Aufgaben übernehmen bzw. in ihrer Führungskompetenz reifen wollen oder um einen organisationalen Veränderungsprozess, den Teile, Teams oder gar das ganze Unternehmen gehen muss bzw. will. Die Übertragung erfolgt von der Übertragung des metaphorischen Situation in die konkrete Unternehmenspraxis.
Die Beteiligten sind aufgefordert, anhand der prototypischen Muster, Bilder und Geschichten ihren eigenen Prozess zu spiegeln und daraus Lernszenarien für den eigenen Weg zu entwickeln. Denn sie müssen selbst zum Akteur werden.
Erster Akt: Der Aufbruch. Der Held wagt sich für seine Vision in die Fremde.
In Bezug auf das Unternehmen wird gefragt: Was kann nicht bleiben wie es ist? Was muss verändert werden? Welche Visionen sollen verwirklicht werden? Gemeinsam wird erarbeitet: Wie gelingt die Wahrnehmung und die Vitalisierung bislang unbekannter Ressourcen?
Zweiter Akt: Im unbekannten Land der Abenteuer. Dort bewältigt der Held mit Beistand den Weg der Prüfungen und wird für seine Leistungen belohnt.
Analog dazu bewältigt das Unternehmen die bekannten und unbekannten Herausforderungen sowie Risiken. Es findet die Quellen seiner Innovationen und erreicht das Ziel, indem es durch Höhen und Tiefen geht.
Dritter Akt: Die Rückkehr. Gereift und belohnt, macht sich der Held auf den schwierigen Rückweg. Nun meistert er seine Realität in neuer Qualität, verändert sich selbst und seine Umwelt.
Im Unternehmen müssen Ergebnisse und Erfahrungen tatsächlich in den Arbeitsalltag integriert werden, damit eine neue Qualität überhaupt Bestand haben kann.
Der amerikanische Ethnologie-Professor Joseph Campbell zeigte auf, dass der Veränderungszyklus von Helden und Heldinnen in allen Kulturen einem universalen Prinzip folgt und nennt die typische Schrittfolge „Heros Journey“. Bald darauf griff der US-Drehbuchautor und Publizist Christopher Vogler auf Campbells Arbeit zurück, um Drehbücher zu entwickeln, die wirklich berühren.
Ein interdisziplinäres Team in Berlin stellte sich die Frage, ob diese aus dem Heldenmythos gefilterte Grundstruktur auch Veränderungsprozesse in der Arbeitswelt nützen kann?
Von 2009 bis 2013 erarbeiteten die Experten, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds, welchen Sinn und Gewinn es bringt, das Grundmuster der Veränderung für wirtschaftliche Kontexte zu adaptieren. Das Beratungskonzept „Heldenprinzip®“ wurde praxisnah in Innovationsprozessen und Führungsprogrammen bei drei Berliner Unternehmen, einem einjährigen Führungskräftekreis und zehn Fallstudien getestet.
Kurzum: Es funktionierte. Auch Unternehmen und Führungskräfte gehen während ihrer Veränderungsprozesse die Schrittfolge eines mythologischen Heldenweges. Mit der Analogie des Helden lernten sie, wie sie trotz Ungewissheit selbstsicher und situativ in den einzelnen Phasen der Veränderung handeln, wie dieses Handeln bereits intuitiv in uns verankert ist und nur noch geweckt werden muss.
Es geht um Wandel, Veränderungen und darum Neues zu wagen. Welche Schwierigkeiten ergeben sich zunächst daraus?
Nina Trobisch:
Zunächst ergibt sich daraus die Schwierigkeit, den „Ruf“ wirklich zu hören. Veränderung passiert entweder aus Frust oder Lust; also in Krisen oder für schöne Visionen. Typisch ist es, dass Menschen Veränderungen zunächst verweigern, bevor sie Neues wagen. Denn obwohl der Held den Ruf gehört hat, halten ihn anfangs innere und äußere Widerstände zurück, den Weg ins Unbekannte zu wagen.
Veränderungen lösen bei Mitarbeitern häufig Ängste oder Blockaden aus. Wenn z.B. die Führungskräfte in ihrer Wahrnehmung bereits in der Landschaft der Prüfungen (2. Akt) stehen, die Beteiligten sich aber immer noch in der Weigerung (1. Akt) befinden, muss es keinen wundern, dass der Prozess nicht wirklich funktioniert. Der schöne Satz „das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht“ passt hier gut, denn Veränderung ist ein Prozess, der seine innere Dynamik hat, die es zu beachten gilt.
Welche konkreten Hilfe leisten Sie?
Nina Trobisch:
Ich kann hier nur beispielhaft antworten, da es uns ja gerade darum geht, auf dieser Grundstruktur eine individuelle Begleitung aufzubauen. Hier braucht es eine Unterscheidung zwischen unserem strukturellen und methodischen Zugang.
Neu ist, den Spannungslosen eines Veränderungsprozesses anzunehmen und nicht als linear steuerbaren Vorgang abarbeiten zu wollen. Die kunst- und kulturbasierte Methodik ist ebenfalls ein Novum für die Begleitung von Change-Prozessen.
Strukturell ist es wichtig, zu erkennen, wo die Beteiligten stehen und was sie für den nächsten Schritt brauchen, das ist schon die halbe Miete. Hier können wir z.B. die Heldengeschichten als Ressource nutzen, indem wir untersuchen, wie in ihnen die Weigerungen überwunden werden. Wir schauen uns die tieferen Strukturen an und entwickeln daraus Interventionen, (Seminare/ Coaching/ Kreativlabore). Ein Großteil der Beteiligten muss sich in einer ähnlichen Phasen befinden, dafür tragen wir mit unsere Arbeit sorgen bzw. machen zuerst einmal bewusst, was jeweils der Status Quo ist. Führungskräfte, die einen Veränderungsprozess steuern, müssen sich über die Dramaturgie des Prozesses bewusst sein.
Um Neuland zu betreten, braucht es Perspektivenwechsel, ungewohnte Ideen, unbequeme Erprobungen. Das können wir von Künstlern lernen. In unseren Prozessbegleitungen und in der Weiterbildung geht es nicht darum, Kunstwerke zu schaffen, sondern darum, schöpferische Denk- und Verhaltensmuster zu aktivieren. Dazu dienen uns Arbeitsweisen u. a. aus Malerei, Literatur, Musik und Theater.
Wer schöpferisch aktiv ist, verbindet Kognition, Emotion und Intuition. Lernen auf realer und sinnbildlicher Ebene verbindet sich. Die großen Transformationen, in denen sich unsere Gesellschaften gegenwärtig befinden, brauchen gerade auch das.
Wer nach dem Heldenprinzip denkt und handelt auf den wartet welcher Lohn?
Nina Trobisch:
Ja, wer den Prozess akzeptiert, der spürt in dieser Phase individuell oder mit der Gruppe, was das „Elixier“ ist, das man bekommt. Vielleicht ist es der völlig neue Zusammenhalt, das ein Team nach dem Bewährungen in der „Landschaft der Prüfungen“ zusammenschweisst, vielleicht ist es der Stolz, dass nach den vielen Mühen der Prototyp funktioniert, vielleicht ist es die Zuversicht, dass ich ein Team von 20 Leuten souverän und wertschätzend führen kann…
Wenn man diesen Prozess als Leitung gestaltet, ist es ganz wichtig, ihn auch genügend Platz einzuräumen und nicht, wie oft erlebt, schon wieder die neuen Herausforderungen zu thematisieren. Alle Menschen brauchen diese Würdigung und eine Verschnaufpause nach dem Marathon.
Schildern Sie doch bitte das Beispiel eines Unternehmens, dass das Heldenprinzip in der Praxis erfolgreich angewendet hat.
Nina Trobisch:
Der Kürze halber, nehme ich eins, wo wir erst bei der Rückkehr gerufen wurden. Aber gerade der „Ditte Akt“ hat es in sich, das erzählen uns auch die Geschichten und Mythen. Hier lauern Gefahren, das alles verpufft und auseinanderbröckelt: Ein mittelständischer Zulieferbetrieb in Bayern musste dringend eine neue Produktionspalette aufbauen, um auf dem Markt zu bestehen. Dafür sollte ein Teil seiner Produktion nach Ungarn verlagert werden. Schnell wurde dort ein neues Werk hochgezogen. Die Ablaufplanung war detailliert in messbaren Meilensteinen definiert. Eine Projektgruppe wurde delegiert, um dort zusammen mit ungarischen Ingenieuren die Produktion ins Rollen zu bringen. – Eigentlich war alles klar und nichts konnte schief gehen. Aber – nicht alles, was passiert, kann man mit noch so ausgefeilten Zahlen, Daten und Fakten absichern.
Denn was nicht in den Projektplänen stand: Die mentalen Herausforderungen in einer fremden Kultur. Sie gefährdeten die am Schreibtisch konstruierte Kooperation mit den ungarischen Kollegen, die so wie auf dem Papier nicht durchführbar war. Die Skepsis der alten Mitarbeiter gegenüber den neuen – minderte die Arbeitsproduktivität. Die Verständnislücke zwischen den „Daheimgebliebenen für die sich nicht geändert hatte und denen, die in Ungarn in einem massiven Veränderungsprozess Erfahrungen gemacht haben, schaffte einen Riss zwischen den Beteiligten. –
>> Das diese Gründe ausschlaggebend für das ungenügende Gelingen des Vorhabens waren, schälte sich in unserem gemeinsamen Reflexionsworkshop mit der Unternehmensleitung heraus.
Ein Problem – nicht nur hier, sondern in vielen Veränderungsprozessen in Unternehmen – liegt eben darin, dass überwiegend aus der Rationalität agiert werden soll – Emotion und Intuition werden ausgeblendet. So bleibt dringend wichtiger Bedarf und Potenzial auf der Strecke.
In diesem konkreten Fall haben wir die Rückkehr, sprich den dritten Akt begleitet, da für das Unternehmen klar wurde, dass hier irgend etwas schief läuft. Aber was? Ziemlich einfach, sie hatten nicht mit, sondern gegen die Grundstruktur gearbeitet – und näherten sich dem Misslingen… wir haben das Projektteam auf ihren Rückweg gestützt. Obwohl sie bereits schon wieder an verschiedenen deutschen Standorten den Unternehmens arbeiteten, „leistet man sich den Luxus“ in zwei Richtungen. Wir führten „Heimkehrerworkshop“ durch. Hier wurde kognitiv und emotional aufgearbeitet, was eigentlich passiert war und wie der Eine oder die Andere es jeweils verdaut hatte. Gemeinsam entwarfen wir Kreativlabore für die Teams der „Daheimgebliebenen“, damit sie sinnlich konkret partizipieren und verstehen können. Das hatte für alle einen großen Nutzen. Die fast unüberbrückbare Diskrepanz zwischen beiden Gruppen löste sich allmählich in Achtung und Neugier auf. Man konnte sogar gemeinsam über Neuerungen auch in Deutschland nachdenken.
Sie sprachen von einer Weitebildung an der Universität der Künste, wieso gerade dort und für welche Zielgruppe?
Nina Trobisch:
Ja, das ist erstmals verwunderlich.
Das Besondere an der „Veränderungsbegleitung nach dem Heldenprinzip®“ an der Universität der Künste ist, dass kognitives und schöpferisches Arbeiten vernetzt wird. Gerade stark rational ausgerichtete Bereiche wie die Wirtschaft können von kreativen Arbeitsweisen profitieren, weil Planen und Kontrollieren an seine Grenzen stößt. Die Vielschichtigkeit der kollektiven Dimension und der Einsatz kunstbasierter Methoden eröffnen einen völlig anderen Zugang zum Verstehen und Gestalten von Veränderungsprozessen. Mit Hilfe des Orientierungs- und Handlungsrahmens des „Heldenprinzip“ gelingen Wandlungsprozesse von Individuen, Teams und Organisationen ganzheitlich und damit nachhaltig. Wie das im Detail gelingt, zeigt unsere Weiterbildung am Berlin Career College der Universität der Künste Berlin. Dafür baut die Weiterbildung auf kollektivem Wissen und künstlerischen Arbeitsweisen auf.
Der Zertifikatskurs vermittelt einen Umgang mit Veränderung, der ihre Vielschichtigkeit würdigt. Wir geben einen Gestaltungsrahmen an die Hand, der Menschen berührt und für Veränderung öffnet.
Die Weiterbildung richtet sich an Experten aus Wirtschaft und Gesellschaft, die eine schöpferische Erneuerungskultur gestalten wollen. Sie bietet Konzept und Methodik für gelingende Veränderungsprozesse von Individuen, Teams und Organisationen. Wir richten uns an alle, die Veränderungen aktiv gestalten: vom Personaler zur Marketing-Spezialistin, von der Geschäftsführerin zum Friedensarbeiter, von der Führungskraft zur Filmproduzentin, vom externen Berater zum internen. Ideal war die Kombination eines Geschäftsführers mit seiner Personalchefin. Viele Teilnehmenden suchen nach einem Orientierungsrahmen für Veränderungsprozesse – einem Halt im Ungewissen. Andere wiederum sind besonders an kunstbasierten Arbeitsweisen interessiert, um Change auf andere Weise zu gestalten. Deshalb haben wir beiden Aspekten einen Fokus in den beiden Kursen der Weiterbildung gegeben.
Mit theoretischen Inputs, in künstlerischen Lernszenarien, Gruppenreflexion und individuellem Coaching wird die Dramaturgie der Veränderung als ganzheitlicher Prozess zwischen Kognition, Intuition und Emotion vermittelt.
Angebot
Universitärer Zertifikatslehrgang
Der Kurs qualifiziert Sie mit einem Hochschulzertifikat zum „Zertifizierten Veränderungsbegleiter nach dem Heldenprinzip®".
Aus welchen Ausbildungsstufen setzt sich das Heldenprinzip zusammen, wie lange dauert der Kurs und welche Kosten fallen an?
Nina Trobisch:
Im Kurs A vermitteln wir das „zentrale Werkzeug“ des Heldenprinzip®, den Kompass für Innovation und Wandel. In erlebniszentrierten Lernszenarien bringen wir die TeilnehmerInnen in starke Resonanz mit den Themen, Aufgaben und Rollen der Veränderungsphasen. Reflexionsschleifen verbinden ihre Erfahrungen mit den Grundaussagen zur Veränderungsdynamik.
Im Kurs B führen wir in eine Fülle von künstlerischen Arbeitsweisen ein und entwickeln dieses Instrumentarium. Ziel ist es, selbständig eine effektive Dramaturgie für die eigenen beruflichen Anforderungsfelder planen und flexibel durchführen zu können.
Die zertifizierte Weiterbildung umfasst 6 Module und besteht aus 216 Unterrichtseinheiten in 24 Präsenztagen, 2 Tagen Zertifikatskolloquium und 20 Stunden online-betreutes Selbststudium. Begleitend finden je Kurs 3 Sitzungen Einzelcoaching à 2 Stunden statt.
Die Kosten betragen insgesamt 8.980 Euro. Kurs A und Kurs B können à 4.700 Euro auch einzeln besucht werden.
Kompass für Innovation und Wandel. Gilt dies auch für das Heldenprinzip selbst? Welchen Wandel und welche Neuerungen gab es, aufgrund der gewonnen Erfahrungen aus Kursen und Feedbacks der Teilnehmer?
Nina Trobisch:
Natürlich gilt das für uns auch. Wir sind stetig immer in der Prüfung und Entwicklung neuer Formate, um unser Konzept an die Bedarfe der Organisationen anzupassen. Es gilt immer wieder achtsam wahrzunehmen, welche Veränderungsthemen gerade in der Luft liegen und den Unternehmen auf der Seele liegen. Darauf wollen wir reagieren und proaktiv Ideen unterbreiten, die für die Zukunft der Unternehmen unabdingbar wird. Wenn z.B. nun spürbar der Fachkräftemangel zum Problem wird, konzipieren wir Entwicklungsprogramme dafür.
Das Feedback der Teilnehmer bestätigt uns aber auch immer wieder in unseren Arbeitsweisen. Veränderungsprozesse nachhaltig zu gestalten. Warum ist uns das so wichtig? Eine verantwortliche Balance von Mensch, Wirtschaftlichkeit, Ökologie – keine geringere Aufgabe wird uns in den nächsten Jahrzehnten global gesehen beschäftigen. Sie fordert von Individuen, Teams und Organisationen eine neue Qualität von Veränderungskompetenz und Führungskunst.
Das „Schneller-höher-weiter“ des Technologiezeitalters lehrte Präzision, Exaktheit, Planbarkeit und Messbarkeit. Das „Komplexer-vernetzter-ungewisser“ unseres Jahrtausends fordert darüber hinaus Kreativität, Mut, Orientierung und Sinn. Die Einsicht, dass mit lineare, rein kognitiven Methoden wir unsere Herausforderungen nicht mehr stemmen können, wächst zwar, ist aber immer noch bei einigen Unternehmen angstbesetzt.
Was machen wir denn dann mit Führungskräften und Mitarbeitern, die ihr schöpferisches Potenzial wirklich einbringen – das riecht nach einer völlig anderen Kultur von Führung und Erneuerung. Wir wollen unsere Beitrag leisten zu einer schöpferischen Erneuerungskultur. Das ist mitunter ein harter Brot, aber auch unser „Ruf“, dem wir uns mit dem Heldenprinzip® verpflichtet fühlen. Also unser eigener Heldenweg…
ÜBER NINA TROBISCH: Nina Trobisch ist Dipl. Dramadozentin, Systemischer Coach und Kompetenztrainerin. Sie arbeitet nach dem von ihr entwickelten Beratungs-, Trainings- und Coachingskonzept HeldenPrinzip für Organisations-, Team-, Führungskräfteentwicklung und Projektmanagement. Sie leitet das Forschungsprojekt "Innovationsdramaturgie nach dem HeldenPrinzip" an der Universität der Künste (UDK) in Berlin.